Angriffe auf die Erinnerung

Auf einem schmiedeeisernen Tor ist der Schriftzug "Arbeit macht frei" zu sehen
Bundesweit verzeichnen KZ-Gedenkstätten einen Anstieg von rechtsextremen Angriffen. Hier ist das Eingangstor des Lagers in Dachau zu sehen. Foto: Lisa van Dijk

Die extreme Rechte greift immer wieder die Erinnerung an den Holocaust und die Erinnerungspolitik an. Bundesweit beobachten die KZ-Gedenkstätten einen Anstieg an antisemitischen Schmierereien, ein offeneres Auftreten von Rechtsradikalen, rechtsextreme Übergriffe in den sozialen Netzwerken und Zerstörungen. In Buchenwald wurden im Sommer wöchentlich Hakenkreuz-Schmierereien entdeckt. Der Vorstand der Stiftung Hamburger Gedenkstätten, Oliver von Wrochem, zeigte sich in Sorge, „dass der gesellschaftliche erinnerungspolitische Konsens durch die Normalisierung rechter Diskurse verstärkt infrage gestellt und brüchig wird. Damit fällt eine wichtige moralische Leitplanke in unserer Demokratie weg.“

Nicht erst seit Gaulands verächtlich verharmlosender Einschätzung, die NS-Zeit wäre nur ein „Vogelschiss” in der ruhmreichen deutschen Geschichte, fühlen sich Rechtsextreme aufgerufen, sich der Erinnerungspolitik zuzuwenden – in ihrem ganz eigenen Interesse.

Das Thema wurde durch den Überfall der Terroristen der Hamas auf Israel am 7. Oktober aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängt. In Deutschland ist der Blick auf die islamistischen und linken Gruppierungen gerichtet, die den Terror feiern und Israel das Existenzrecht absprechen.

Im Windschatten der Terror-Verherrlichung setzt die extreme Rechte die Angriffe auf die Erinnerung fort

Im Windschatten der Terror-Verherrlichung setzt die extreme Rechte ihre Angriffe auf die Erinnerung einfach ungehindert und konsequent fort. In der Gedenkstätte Ahlem in Hannover (Niedersachsen) wurden Ende Oktober mehrere Gedenktafeln mit Aufklebern überklebt. Neben „Befreie dich vom Schuldkult“ war ein Aufkleber mit einer Palästina-Fahne und den Worten „Free Palestine End Israeli Occupation“ zu lesen. Ein Aufkleber der Neonazi-Gruppierung Junge Nationalisten zeigte eine blutige Israel-Fahne mit der Parole „Israel mordet und die Welt schaut zu“. Immer wieder wird der Krieg gegen Israel mit Angriffen auf die Erinnerung verknüpft.

Durch diese systematischen Angriffe auf die Erinnerung von allen Seiten bekommt unsere Gedenkkultur Risse. Die extreme Rechte will diese Risse, die mit der Zeit größer und tiefer werden. In seiner Dresdener Rede propagierte der AfD-Faschist Höcke 2017 eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ oder nahm Umdeutungen von Begriffen wie „Zivilisationsbruch“ vor. Damit werden die nationalsozialistischen Verbrechen verharmlost. Das Holocaust- Mahnmal in Berlin nannte Höcke ein “Mahnmal der Schande”. Er machte deutlich: Die extreme Rechte will die Gedenkkultur einreißen und dagegen eine Erinnerung setzen, die die Verbrechen der Nationalsozialisten relativiert. Auch deshalb werden Gedenkstätten immer öfter zum Ziel von Angriffen.

Die extreme Rechte pflegt ihr geschichtsrevisionistisches Gedenken

Die extreme Rechte pflegt längst ihr eigenes Gedenken und sticht dabei immer wieder mit geschichtsrevisionistischen und die Shoah leugnenden Aussagen und Taten heraus. In Veranstaltungen und Publikationen zum Nationalsozialismus geht es nicht um die Menschen, die verfolgt wurden. Stattdessen dreht die extreme Rechte die Geschichte so, dass Täter*innen entweder als Opfer, als Held*innen oder Märtyrer*innen dargestellt werden. Deutschen, die schwere Kriegsverbrechen begangen haben, wird auf Veranstaltungen gedacht. Der Volkstrauertag, in der Weimarer Republik eingeführt und heute ein staatlicher Gedenktag für die Opfer von Kriegen und Gewaltherrschaft, wird von Neonazis in nationalsozialistischer Tradition als „Heldengedenken” vereinnahmt. An Kriegsdenkmälern oder Kriegsgräberstätten werden zu diesem Anlass Gedenkveranstaltungen durchgeführt, Kränze niedergelegt und Kerzen angezündet.

Wir müssen uns diesen Angriffen entgegenstellen

Diesen Angriffen auf die Erinnerungskultur an die Verbrechen der Deutschen müssen wir uns mit Engagement und Haltung entgegenstellen. Wir sollten gemeinsam ernsthaft darüber nachdenken, was Erinnerungskultur und Erinnerungspolitik bedeuten und bewirken sollen. Wir müssen sie mit klugen, zukunftsweisenden Inhalten füllen und vor rechtsextremer Umdeutung schützen.

Mehr zu den Angriffen auf die Erinnerungskultur steht im aktuellen Lagebild Antisemitismus der Amadeu Antonio Stiftung