Von Elena Engelbrecht
Ich weiß, dass Rechtsextreme Populismus beherrschen. Aber warum bedienen sich auch führende Vertreter dieser undemokratischen Strategie?
Ein wichtiges Kennzeichen demokratischer Gesellschaften ist doch der Pluralismus, also das Prinzip, dass unterschiedliche Lebensentwürfe nebeneinander existieren dürfen. Populist*innen glauben jedoch, den „wahren Volkswillen” zu kennen. Sie sprechen immer wieder von einem „wir” gegen „die anderen” oder „die da oben” und verkürzen, dramatisieren und emotionalisieren bewusst komplizierte gesellschaftliche Fragen. Polarisiert wird gezielt bei Themen, die besonders große Klüfte provozieren und starke Emotionen hervorrufen. Krisen und Niedergänge werden prophezeit. Dazu gehört auch hetzerische Stimmungsmache, das Festklammern an den guten alten Gewohnheiten, die fast mitleidserregende Angst vor dem Neuen. Klingt nach Strategie der blau-braunen Partei? Nicht nur!
„Stoppt die Sprachpolizei” !?!
Zu den Menschen, die sich beispielsweise mit Händen und Füßen gegen das Etablieren des Genderns wehren, gehört auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Er ist einer derjenigen, die die Grünen als „Verbotspartei“ verunglimpfen, wenn es um Themen wie ein Tempo-Limit oder eine Reduzierung des Fleischkonsums geht. Allerdings lautet ihre Devise: in Maßen und nicht in Massen! Schaden tun sie damit niemandem, aber der Aufschrei ist immer wieder groß.
Schade, dass Herr Söder hier nur bis „Maß” aufmerksam war. Gewisse Menschen verstehen sich wohl so wenig autonom, dass sie genderinklusive Sprache als unzumutbare Verhaltensvorschrift empfinden. Wie kann man es denn bloß wagen, nach all den Jahrzehnten, in denen die Frauen* erfolgreich aus der Sprache ausgeschlossen wurden, diese nun mitnennen zu wollen? Mensch, wie dreist!
Dabei hat geschlechtergerechte Sprache das Ziel, Diskriminierung und Ausgrenzung zu vermeiden, Geschlechtsstereotype zu reduzieren und das Bewusstsein für Vielfalt zu fördern. Ist es also nicht ein Grundwert der Gerechtigkeit? Sprache schafft und prägt die Gesellschaft und somit unsere Lebens-Realität. Und wem diese Ziele nicht wichtig genug sind, um sich die kleine Mühe zu machen, ein bis zwei Silben an „Lehrer” oder „Arzt” zu hängen, der kann es einfach bleiben lassen. Gendern ist keine Pflicht!
Trotzdem folgte auf das trotzige „Wir wollen keine Sprachpolizei”, u.a. durch die CSU gefordert, ein GenderVERBOT – durch die CSU… *
Klares Nein zu Drogen – von Söder?
Nächstes Futter für Herrn Söders Bierzeltparolen: die Cannabis-Legalisierung. „Wir wehren uns entschieden gegen die Legalisierung von Drogen. Es ist fatal, dass die Ampel („die da oben”) unsere („wir”) Bevölkerung solchen Gefahren aussetzen will”, so Söder in seinem Instagram-Post vom 22. März. Das wäre eine neue Erkenntnis des bayrischen Ministerpräsidenten, der immer wieder mit riesigen Bierkrügen posiert. „Von Cannabis gehen schwere Gesundheitsgefahren aus!” Das hat wohl zu stimmen und da kann man von Cannabis halten, was man will, nichtsdestotrotz hier die Frage an den Herrn Ministerpräsidenten: Ein klares Nein zu Drogen? Aber was ist mit dem Oktoberfest und all seinen Bierleichen? Drogen auf der Wiesn verherrlichen vs. Drogen auf Instagram verteufeln?
Es wäre wirklich interessant, Herrn Söder beim Thema Alkoholkonsum auch so durchgreifen zu sehen. Denn nach Angaben des bayerischen Gesundheitsministeriums wird die Zahl der alkoholabhängigen Menschen in Bayern auf 255.000 geschätzt. Dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zufolge sterben 6000 Menschen pro Jahr in dem Bundesland an Folgen des Alkoholmissbrauchs.
Man kann sich hier auch ganz offen fragen, ob von betrunkenen oder bekifften Menschen, beispielsweise gegenüber Frauen* und Kindern, mehr Gefahr ausgeht. Es ist also schön, dass Kinder geschützt werden sollen, indem das Konsumieren von Cannabis in Anwesenheit von Minderjährigen eine Geldstrafe von 1000€ nach sich zieht. Bei allen Kindern von alkoholkranken Eltern weiten sich jetzt aber sicher die Augen.
Strategie: Unwichtige Themen ausschlachten, um von eigentlichen Problemen abzulenken
Ein*e User*in kommentierte auf Söders Instagram-Kanal: Irgendwie „drängt sich mir die Vermutung auf, dass Sie und Ihre Partei, Herr Söder, billigsten Populismus betreiben, unwichtige Themen bis zum St. Nimmerleinstag ausschlachten und generell keine Sachpolitik machen (obwohl doch ständig von der Union gefordert), um von den wirklichen Themen und Problemen abzulenken”. Dieser Kommentar trifft es wohl leider im Groben auf den Punkt!
Empfinde nur ich es als Ironie, wenn Söder Realpolitik statt Moralpolitik fordert, gleichzeitig aber eine seiner ersten Amtshandlungen als Ministerpräsident die Pflicht zur Anbringung eines Kreuzes in allen staatlichen Gebäuden war? Wie wäre es, wenn Sie, lieber Herr Söder, ihr eigenes Motto „Leben und leben lassen” ernster nähmen? Dann wäre auch der demokratischen Kultur gedient!
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