Aktiv vor Ort

Wie werde ich aktiv?

Augen auf – Ohren auf – Mund auf.

Gesicht zeigen kann man eigentlich täglich und überall. Dabei gibt es nicht die eine richtige Bemerkung oder Verhaltensweise, sondern verschiedene Möglichkeiten zu reagieren. Wir stellen im Folgenden einige davon vor. Dabei orientieren wir uns an den Situationen, denen wir im Alltag möglicherweise am häufigsten begegnen oder in denen wir uns unsicher fühlen. Das kann im Gespräch mit Freund*innen, Bekannten oder Familie sein oder das Gespräch, das wir im Zug verfolgen. Es kann der Hass sein, den wir bei Facebook und Co in unsere Timeline gespült bekommen. Und im Extremfall können es gewalttätige Übergriffe sein, von denen wir Zeug*in werden. Wir möchten Ihnen Vorschläge dafür geben, wie man sich den Menschen, die Diskriminierungen und Rassismus ausgesetzt sind, solidarisch zeigen kann. Denn egal ob alleine oder in der Gruppe, es gibt immer etwas, das man tun kann, damit rechte Parolen und Hetze nicht unwidersprochen bleiben.

Rassismus, Diskriminierungen und Hetze gegen Personen beschränken sich nicht auf die rechte Szene. Sie begegnen uns überall. Und Sie können überall etwas dagegen tun. Sei es am Arbeitsplatz, in öffentlichen Verkehrsmitteln, in der Kneipe, im Sportverein oder bei der Familienfeier. Hinterfragen Sie dumme Sprüche, widersprechen Sie diskriminierenden Äußerungen, lachen Sie nicht über blöde Witze und machen Sie klar, dass Sie anderer Meinung sind.

Überzeugte Rassist*innen oder Nazis werden ihre Meinung sicher nicht durch ein Gespräch ändern. Aber sie spüren den Gegenwind. Und Sie können Zuhörer*innen gewinnen und begeistern. Machen Sie deutlich, dass nicht alle denken wie sie.

Es muss auch nicht immer gleich eine große Diskussion sein. Vor allem, wenn klar ist, dass Ihr Gegenüber seine oder ihre Meinung nicht ändern wird und sich voller Überzeugung stumpfer Parolen bedient. Sätze, die anfangen mit „ich bin kein Nazi aber….“, „ich hab nix gegen Ausländer, aber…“ oder „man wird ja wohl noch sagen dürfen…“ leiten allzu häufig rechte Parolen ein. Parolen sind keine Argumente, in der Regel platt, inhaltlich verkürzt, jegliche Komplexität ablehnend und stark verallgemeinernd. Deshalb scheint es oft unmöglich, sie zu widerlegen. Besonders dann, wenn man sich im jeweiligen Themenfeld inhaltlich nicht informiert genug fühlt, um die Sprüche durch fundierte Argumente zu entkräften. Dennoch können Sie mit einem klaren Statement, das Ihre Meinung verdeutlicht, dagegenhalten und die Diskussion beenden. Umstehende, die das Gespräch verfolgen, haben durch Ihre Positionierung dann einen Anknüpfungspunkt und fühlen sich möglicherweise ebenfalls ermutigt, sich mit den Betroffenen zu solidarisieren.

Weghören oder schweigen wird oft als Zustimmung verstanden. Lassen Sie nicht zu, dass rechte Parolen, Propaganda und Hetze unwidersprochen bleiben. Das gilt übrigens auch und in besonderem Maße für soziale Netzwerke!

Wenn Sie hingegen das Gefühl haben, dass Ihr Gegenüber Gesprächsbereitschaft signalisiert, Sie die Person womöglich auch gut kennen und schon anders erlebt haben, gibt es einige Strategien – über die eigene Positionierung hinaus – mit rechtsextremem Gedankengut umzugehen. Nachfragen und Klärung erbitten, kann der anderen Person die Möglichkeit bieten, das Gesagte zu reflektieren. Greifen Sie Ihr Gegenüber nicht persönlich an, das bietet die Möglichkeit, sich ohne Gesichtsverlust von den rechten Parolen zu distanzieren. Weisen Sie ausdrücklich auf Pauschalisierungen in den jeweiligen Aussagen hin und fordern Sie konkrete Beispiele zu ihnen ein. Dadurch kann die typische Einteilung in „wir“ und „die anderen“ aufgebrochen werden. Zeigen Sie Widersprüche in der Argumentation auf und appellieren Sie nicht zuletzt an die Empathie Ihrer Gesprächspartner*innen.

Beispiele:

 „Habe ich das richtig verstanden, dass du meinst, dass…?“

„Ich habe das auch schon anders erlebt, woher hast du diese Informationen?“

„Eben hast du noch XY gesagt, wie passt das zusammen?“

„Wen meinst du mit alle? Das ist mir zu allgemein. Kannst du mir konkret sagen, wo du das so selbst gesehen hast?“

Weiterführende Informationen und Quellen:

Bundeszentrale für politische Bildung, Parolen parieren! Aber wie?

Bundeszentrale für politische Bildung, Argumente gegen rechtsextreme Vorurteile

Mut gegen rechte Gewalt, Klare Absage an rechte Parolen

Es muss nicht immer die große Gegenrede sein, probieren Sie stattdessen Love Speech! aus und bekämpfen das Übel an der Wurzel


In sozialen Netzwerken können sich Hass und Diskriminierungen durch leichtes Teilen und teils weltweite Vernetzung besonders schnell verbreiten. Die Hemmschwelle, andere bewusst zu verletzen und zu beleidigen, nimmt mit der Distanz und vermeintlichen Anonymität im Netz ebenfalls zu. Für Betroffene ist es umso wichtiger zu wissen, dass sie nicht alleine dagegenhalten müssen. Die wenigsten Menschen unterstützen diese Art von Hetze, sie beteiligen sich nur auch nicht an den Gesprächen (online wie offline), so dass ihre Ablehnung dieses Verhaltens unsichtbar bleibt. Also widersetzen Sie sich lautstark. Fordern Sie die anderen Nutzer*innen mit Verweis auf die jeweilige Netiquette auf, Diskriminierungen und Beleidigungen zu unterlassen und sich sachlich an der Diskussion zu beteiligen. Diejenigen, die sich tatsächlich nur in emotionalem Übereifer im Ton vergriffen haben, beruhigen sich in manchen Fällen schon durch die direkte Ansprache. Gegendarstellungen sollten aber in jedem Fall gepostet werden, gerade bei denen, die bei ihren Äußerungen bleiben.

Wie im direkten Gespräch auch, können gezieltes Nachfragen, Widerlegen von Falschaussagen und eigene Positionierungen geeignete Reaktionen sein. Viele Initiativen bieten auch vorgefertigte Memes an, mit denen man humorvoll und trotzdem eindeutig auf Verschwörungstheorien oder Vorurteile reagieren kann.

Beispiele von Memes des No Hate Speech Movements:

     

Bei vielen Posts wird es zudem nicht mit einer Gegenrede getan sein. Hater sind oft gut organisiert und scheinen eine Menge Zeit zu haben, um Threads mit ihren Beiträgen zu füttern. Organisieren Sie sich deshalb mit anderen Nutzer*innen, Freund*innen oder Kolleg*innen und teilen Sie sich Ihre Zeit und emotionalen Ressourcen untereinander auf, wenn Sie sich ausführlich an einer Diskussion beteiligen möchten.

Natürlich kommen wir alle irgendwann an unsere Grenzen. Diese Grenzen sind von Mensch zu Mensch verschieden und niemand muss sich, schon gar nicht auf der eigenen Webseite oder unter dem eigenen Profil, Beleidigungen oder rechten Parolen aussetzen. Nutzer*innen, die immer wieder negativ auffallen und sich nicht an die Regeln der Gesprächskultur halten, können von der Diskussion ausgeschlossen werden. Beispielsweise bei Facebook lassen sich Nutzer*innen sperren, Beiträge – am besten begründet – löschen oder Kommentare versteckt schalten. Beiträge mit strafbarem Inhalt oder solchem, bei dem Sie es vermuten, können zur Anzeige gebracht. Auch kann beim jeweiligen Unternehmen beantragt werden, einen Post zu löschen oder dieser zur juristischen Prüfung an die Internet Beschwerdestelle gemeldet werden.

Weiterführende Links:

Internet Beschwerdestelle, https://www.internet-beschwerdestelle.de/de/index.html

Hassmelden, https://hassmelden.de

No Hate Speech Movement, https://no-hate-speech.de/

Amadeu Antonio Stiftung, Broschüre zum Umgang mit Hate Speech und Kommentaren im Netz, https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/hatespeech.pdf


Es gilt immer: die Opfer von verbaler oder tätlicher Gewalt brauchen Ihre Hilfe. Schreiten Sie ein, wenn Sie Zeug*in von Pöbeleien oder körperlichen Übergriffen werden. Dieses Einschreiten erfordert oft auch großen Mut, da man sich dadurch selbst angreifbar macht. Oberstes Gebot muss deshalb sein: Bringen Sie sich selbst nicht in Gefahr! Aber den Mut, den es braucht, kann man trotzdem trainieren. Indem man Situationen nachspielt, Argumentationstrainings besucht und Handlungsmuster einübt. Hierdurch können Sie routinierter werden und bei Diskriminierungen selbstbewusster und entschiedener einschreiten. Also üben, üben, üben!

Wichtig ist: es geht nicht darum, den Helden zu spielen. Aber Sie können vernünftig und bewusst helfen, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen.

Ist eine Gewalt­si­tua­tion bereits eska­liert und die Gefahr für Sie sel­bst zu groß, können Sie zumindest folgende Punkte beachten:

    • Wenden Sie sich an Umstehende und rufen Sie laut um Hilfe. Das kann den Täter verwirren und das Opfer entlasten. Sprechen Sie direkt Menschen an: „Sehen Sie mal, was hier pas­siert. Fin­den Sie das in Ordnung?”, „Sie in dem roten Pulli, rufen Sie die Polizei!“
    • Nehmen Sie Blickkontakt mit dem Opfer auf, machen Sie klar, dass er oder sie nicht allein ist. Sprechen Sie zuerst die betroffene Person an, nicht die Täter*innen.
    • Wenn Sie die Täter*innen ansprechen, provozieren Sie nicht und siezen Sie die andere Person.
    • Alarmieren Sie möglichst schnell die Polizei, der Notruf funktioniert immer bei Handys.
    • Melden Sie sich als Zeuge oder Zeugin, wenn es zu einer Anzeige kommt.
    • Am wichtigsten aber: helfen Sie dem Opfer. Zeigen Sie Unterstützung und Solidarität! Opfer rassistischer Übergriffe erzählen oft, dass das Schlimmste war, dass niemand geholfen hat. 


Wenn Sie sehen, dass Nazis oder andere Rechtsextreme in Ihrer Umgebung aktiv sind, werden Sie selbst aktiv. Suchen Sie sich Verbündete und überlegen Sie gemeinsam, was Sie tun können.Ob Sie einen Infostand machen, ein Stadtteilfest planen, Jugendgruppen unterstützen, eine Diskussionsveranstaltung oder einen Filmabend durchführen – es muss nicht immer gleich die Großdemo sein. Um humane und demokratische Prinzipien zu schützen, braucht es auch Ihre Präsenz bei politischen Veranstaltungen, Gemeindesitzungen, Anhörungen oder Podiumsdiskussionen. All dies sind Gelegenheiten, die Rechtsextreme nutzen, um ihre Ideologie zu verbreiten. Durch gezielte Interventionen versuchen sie, Veranstaltungen zu stören oder die Stimmung zu ihren Gunsten zu kippen. Engagierte Gegenrede aus dem Publikum entzieht ihnen die Bühne und zeigt, dass sie es in Ihrer Umgebung nicht leicht haben werden.Natürlich können Sie sich auch einer schon bestehenden Initiative in Ihrer Nähe anschließen. Es gibt viele Projekte gegen Rassismus oder Willkommensinitiativen für Geflüchtete, die Ihre Unterstützung benötigen. Das kann schon im Kleinen sein, indem man ihre Informationen im Bekanntenkreis weiterverbreitet, ihre Veranstaltungen besucht oder im Großen, indem man eigene Ideen ein- und Zeit zur Organisation aufbringt.Mehr Beispiele, Erklärungen und Anleitungen finden sich in unserem Schlauen Heft „Gesicht Zeigen – aber wie?“, das kostenfrei bei uns bestellt werden kann.