Abgrenzen und Ausgrenzen

Ursachen des Rechtsrucks und Gegenstrategien
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Ursachen des Rechtsrucks und Gegenstrategien

Von Charlotte Langenkamp

Zu kurz greifen die meisten Analysen, in denen händeringend um Erklärungen für den Rechtsruck und die Wahlerfolge der AfD gesucht werden. Aus unserer Perspektive ist das Erstarken des Rechtsextremismus nur durch das Zusammenwirken von drei Ebenen erklärbar: Erstens, die gefühlte oder tatsächliche soziale und politische Benachteiligung von einem großen Teil der deutschen Bevölkerung, zweitens der weiten Verbreitung von Ideologien der Ungleichwertigkeit in der Mitte der Gesellschaft und drittens der problematische Umgang von Politiker*innen und Journalist*innen damit.

Wir erleben eine Gleichzeitigkeit von Krisen und damit verbundener großer, ganz realer sozialer Unsicherheit. Dazu kommt, dass viele Deutsche enttäuscht von der Demokratie sind. Wichtig ist zu betonen, dass gerade in Ostdeutschland die allermeisten Menschen die Idee der Demokratie sehr gut finden. Sie sind aber nicht zufrieden mit der Art und Weise, wie sie sie konkret in ihrem Alltag erleben.

  • Ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung fühlt sich also sowohl sozial als auch politisch abgehängt. Ob das Gefühl gerechtfertigt ist oder nicht, ist für die Frage der Gegenstrategien zweitrangig.
  • Der Rechtsruck lässt sich aber nur in Verbindung mit Ideologien der Ungleichwertigkeit verstehen. Rassismus, Antisemitismus, Sozialdarwinismus und weitere menschenfeindliche Ideologien sind insbesondere in der Mitte der Gesellschaft weit verbreitet. Das belegen Zahlen aus der Leipziger Autoritarismus Studie: der antisemitischen Aussage „Auch heute noch ist der Einfluss der Juden zu hoch“ stimmen fast ein Drittel der Befragten (29 %) ganz oder teilweiser zu. Die Zahlen zu Rassismus sind noch erschütternder. Die Aussage „Die Ausländer kommen nur her, um den Sozialstaat auszunutzen” lehnt nur ein gutes Fünftel der Befragten (22 %) klar ab. Das heißt im Umkehrschluss, fast 80 % können rassistischen Aussagen zumindest teilweise etwas abgewinnen. Diese Studie ist repräsentativ für die deutsche Bevölkerung!
  • Rassistische, antisemitische und andere menschenfeindliche Einstellungen sind konstant weit verbreitet und das seit vielen Jahrzehnten. Die rechtsextreme AfD produziert diese Einstellungen also nicht selbst, sie trägt aber zur Normalisierung bei. Und sie bietet allen, die so denken, eine neue politische Heimat.

Natürlich versuchen die demokratischen Parteien den Aufschwung der AfD zu verhindern. Durch die Übernahme von rechten Parolen gerade in der Frage der Migrationspolitik verstärken sie den Rechtsruck allerdings. Denn in dem Versuch, Wähler*innen zurückzugewinnen, normalisieren sie menschenfeindliche Parolen und bestärken dadurch Menschen in ihren rassistischen Einstellungen.

Auch Teile der Medien sind mitverantwortlich für den Rechtsruck. Wenn die AfD oder einzelne Akteure im wahrsten Sinne des Wortes „dämonisiert” werden, ist das kontraproduktiv. Rechtsextreme zu dämonisieren, ihnen aber gleichzeitig eine Bühne zu bieten und über die erwartbaren menschenverachtenden Aussagen dann überrascht sein, ist schlechtes journalistisches Handwerk und zudem extrem naiv.

Doch natürlich stehen alle Wähler*innen selbst in der Verantwortung. Es sind bewusste Entscheidungen, eine rechtsextreme Partei zu wählen oder rassistische Ressentiments im eigenen Alltag zu dulden.

Abgrenzen oder Ausgrenzen!

Welche Strategie verspricht Erfolg gegen den Rechtsruck? Die Strategie der Eingrenzung, die auf punktueller Kooperation mit der AfD setzt, ist jedenfalls nicht sinnvoll. Sie trägt zur Normalisierung und damit Stärkung der AfD bei. Dazu zählen Kooperationen auf kommunaler Ebene, die Übernahme einzelner inhaltlicher Positionen als Versuch, Wähler*innen zurückzuholen, oder die Einladung von AfD-Politiker*innen in Talkshows oder Interviewrunden.

Viel wichtiger sind Strategien der Abgrenzung, also auf keiner Ebene irgendeine Kooperation mit der AfD einzugehen. Das ist leicht, wenn man klar benennt, was rechtsextrem ist, was rassistisch oder undemokratisch ist, und dadurch die Abgrenzung immer wieder erklärt. Aber diese Strategie meint nicht den kompletten Ausschluss der AfD. Es geht darum, aktiv die Auseinandersetzung, den Streit zu suchen.

Im Gegensatz dazu wird bei der Strategie der Ausgrenzung die AfD aus dem demokratischen Diskurs vollständig ausgeschlossen, weil sie nicht mehr als legitime Partei anerkannt wird. Das ginge z.B. durch ein Parteiverbotsverfahren.

Wichtig ist, die AfD nicht zu unterschätzen

Die Grenzen zwischen Strategien der Ab- und Ausgrenzung können durchaus fließend sein und für beides gibt es gute Gründe. Wichtig ist, sich keine Illusionen zu machen, die AfD nicht zu unterschätzen und vor allen Dingen, nicht auf eine Selbstentzauberung zu hoffen.

Rechtsextreme wollen keine Sachpolitik machen, auch wenn sie anderes vorgeben. Die Unterwanderung von politischen Institutionen und die Instrumentalisierung von Kommunalpolitik sind Strategien, um die Demokratie auszuhöhlen. Dieses strategische Verhältnis zur Demokratie endet für Rechtsextreme, wenn sie die Macht haben, die Demokratie abzuschaffen. Antidemokraten muss man deshalb das Handwerk legen, auch wenn sie noch mit demokratischen Mitteln hantieren.

Auch jede*r Bürger*in ist in der Pflicht

Bei den Strategien gegen den Rechtsruck sind Politiker*innen aber auch die Zivilgesellschaft in der Verantwortung. Rechtsextreme fühlen sich ermutigt, wenn sie glauben, die Bürger*innen stimmen ihnen heimlich zu.

Mit Rechtsextremen reden bringt wenig, denn sie wollen keine Argumente austauschen. Sie wollen Propaganda verbreiten und mit Parolen zum Hass aufstacheln. Da die Rechtsextremen derzeit immer mehr werden, müssen wir also immer mehr Menschen aus den Diskussionen ausschließen. Das widerspricht eigentlich demokratischen Prinzipien. Diesen Widerspruch müssen wir aushalten. Und  jede*r ist in der Verantwortung, dass Rechtsextreme sich in unserer Nähe nicht wohlfühlen. Wie das geht?

  • Indem wir solidarisch sind mit allen Betroffenen rechter Gewalt und allen Aktiven, die dem Rechtsruck etwas entgegensetzen, vor allem dann, wenn Solidarität und Mut erfordert ist.
  • Indem wir die Widersprüche rechtsextremer Politik immer wieder offenlegen. Rechtsextreme haben kein Interesse an sozialer Politik, an guter Bildung oder Gesundheitsversorgung, an Schutz und Sicherheit. Für die allermeisten Menschen wäre die Politik der AfD zum Nachteil. Die AfD stellt immer die falschen Fragen und gibt immer falsche Antworten. Darauf müssen wir unermüdlich hinweisen, statt auf die Buzzwords der AfD reinzufallen.
  • Indem wir widersprechen, wo immer uns rechtsextreme Parolen begegnen. Das kann jede*r in Argumentationsworkshops lernen.
  • Eingreifen, wenn Leute angegriffen werden, also Zivilcourage zeigen. Auch das kann jede*r in Workshops üben!
  • Das Wichtigste ist, Verbündete zu suchen und nicht allein zu bleiben!

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