It’s the economy, stupid! Welche Verantwortung trägt die Wirtschaft für die Stärkung von Demokratie?
Gesicht Zeigen! hat am 29. Juni mit Expert*innen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft unter dem Titel „Demokratiefeindlichkeit: Welche Verantwortung trägt die Wirtschaft?“ nachhaltige Lösungsansätze diskutiert, wie Rechtsextremismus am Arbeitsplatz zurückgedrängt werden kann.
Der AfD-Parteitag im Juni hat es deutlich gemacht: Mit dem Streichen des rechtsextremen Vereins „Zentrum Automobil“ von der Unvereinbarkeitsliste versucht die Partei, arbeitsmarktpolitische Akzente zu setzen und Einfluss auf Betriebsräte und Gewerkschaften zu nehmen. Für Gesicht Zeigen! bedeutet dies: Der Arbeitsplatz ist ein zentraler Ort, an dem Demokratie gelebt und verteidigt werden muss. Um das Problembewusstsein für Demokratiefeindlichkeit am Arbeitsplatz zu schärfen, Akteur*innen zu vernetzen und Lösungsansätze zu diskutieren, hat Gesicht Zeigen! dazu gestern Abend wichtige Expert*innen im Rahmen einer Podiumsdiskussion zusammengebracht:
Bettina Kohlrausch, Wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung und Professorin für Bildungssoziologie an der Universität Paderborn, referierte zu Beginn über die Frage, in welchem Zusammenhang Demokratiefeindlichkeit mit Erwerbstätigkeit steht. Anschließend sprach Johannes Kiess, stellvertretender Direktor des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts an der Universität Leipzig über die Rolle von Demokratieerfahrung in der Arbeitswelt. Über die Verantwortung von Politik und Wirtschaft diskutierten die beiden Inputgeber*innen anschließend mit dem Bundestagsabgeordneten Andreas Audretsch (Bündnis 90/Die Grünen) und dem stellvertretenden Hauptgeschäftsführer des Dt. Industrie- und Handelskammertags, Achim Dercks. Moderiert wurde die Veranstaltung von der ZEIT-Journalistin und Bundesvorsitzenden der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union, Tina Groll.
Die Veränderungen von Arbeit sind ein Einfallstor für rechtsextreme Ideologie
Eine zentrale Erkenntnis lautet: Die Arbeitswelt ist ein entscheidender Ort für unser Verständnis und unserer Haltung gegenüber der Demokratie. Vor allem am Arbeitsplatz können Menschen Beteiligung und Selbstwirksamkeit, Solidarität und Sicherheit erfahren und leben. Werden solche Erfahrungen durch strukturelle Veränderungen wie Digitalisierung, Inflation oder Klimawandel gefährdet, fühlen sich Menschen abgehängt und abgewertet und neigen eher zu antidemokratischen und autoritären Ansichten. Andreas Audretsch, Bundestagsabgeordneter für Bündnis 90/Die Grünen, warnt mit Blick auf die anstehenden Transformationsaufgaben in Bezug auf die Klimakrise: „Es gibt zwei Wege in die Katastrophe. Der eine Weg ist kein Klimaschutz, dann zerstören wir unsere Lebensgrundlage. Und der zweite Weg ist, Menschen auf dem Weg der Transformation an Rechtsextreme und Reaktionäre zu verlieren. Dann haben wir beides, Menschenfeindlichkeit und Leugnung der Klimakrise. Darum dürfen wir niemanden verlieren, die Transformation muss Perspektiven für alle bieten.“ Werden soziale Ungerechtigkeiten ausgeglichen und die demokratische Selbstwirksamkeit geachtet, verlieren Menschen nicht das Vertrauen in Veränderungsprozesse und driften nicht nach rechts ab.
Unternehmen, Gewerkschaften und Politik müssen gemeinsam handeln
Wirtschaft, Gewerkschaften und Politik müssen gemeinsam Verantwortung für ein demokratisches, respektvolles und gleichberechtigtes Miteinander übernehmen. Die Rolle der Unternehmen in diesem Prozess muss stärker mitgedacht werden, sie dürfen sich nicht wegducken. Dazu Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Dt. Industrie- und Handelskammertags: „Wichtig ist es, frühzeitig zu reagieren und ein Klima zu schaffen, in dem Anerkennung und Selbstwirksamkeit herrschen. Entscheidend ist es, dass diese Dinge gelebt werden.” Betriebe ohne Rassismus, die Vielfalt leben, sind ein Gewinn für die Gesellschaft – und ein Standortvorteil für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
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Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland e.V. ermutigt Menschen, aktiv zu werden gegen Rassismus, Antisemitismus und jede Form Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sowie rechtsextreme Gewalt. Er greift in die aktuelle politische Debatte ein und bezieht öffentlich Stellung. Gesicht Zeigen! initiiert bundesweite Kampagnen und entwickelt innovative Projekte und Aktionen, die Vorurteile abbauen und das demokratische Miteinander fördern. Gesicht Zeigen! ist zudem Teil des seit 2020 bestehenden Kompetenznetzwerks Rechtsextremismus (KompRex). Alle Informationen finden Sie unter:
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