Kommentar von Gesicht Zeigen! zum 1. Mai 2020

Ein Strauß roter Nelken
Photo by chay tessari on Unsplash

Der Erste Mai ist der Internationale Tag der Arbeiter*innen. Seit jeher ein Datum für Demonstrationen, für den Ausdruck von Unmut, für den Kampf um Forderungen. Es geht um höhere Löhne, um bessere Arbeitsbedingungen, um Gerechtigkeit. In Deutschland gehen Hunderttausende an diesem Tag auf die Straße. Es ist ein wichtiger und richtiger Tag. Ein Feiertag.

In diesem Jahr wird der 1. Mai anders aussehen. Erstmals seit dem Jahr 1949 hat der Deutsche Gewerkschaftsbund seine Kundgebung abgesagt, sie soll virtuell stattfinden. So ähnlich geht es den meisten Veranstalter*innen und Organisator*innen, denn: Es sind nicht mehr als 20 Teilnehmer*innen pro Kundgebung erlaubt. Letztes Wochenende jedoch hatten sich, obwohl ebenfalls nicht gestattet, fast tausend Menschen vor der Berliner Volksbühne versammelt – aus Verärgerung über die Corona-Maßnahmen. Die sogenannte Hygienedemo, eine Demonstration mit gewährtem Sicherheitsabstand, entpuppte sich als Sammelbecken gefährlicher Ideen. Neben „Wir sind das Volk“, skandierten verfassungsfeindliche NPD-Mitglieder und andere Nazis ihre Losungen für den Umbau der Demokratie und zur Gesetzesänderung. Zwischen Yoga und Verschwörung wurde die Demonstration zu einer rechtsextremen Widerstandsbewegung – unter dem Stern der demokratischen Erlaubnis für das Versammlungsrecht. Die Straftat der offiziell nicht genehmigten Hygienedemo lag allerdings nicht in den weiterverbreiteten Inhalten, sondern in der nicht gewährleisteten Gesundheitsverordnung. Das gibt zu denken.

Klar ist, dass Deutschland sich seit mehr als fünf Wochen in einer Krise befindet. Einer Krise aus Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, Insolvenzen. Die wirtschaftliche Krise zieht eine Lebenskrise nach sich. Jeder Ruf nach Erlösung kommt da gerade recht. Und gerade die Rechtspopulisten wissen das zu nutzen: „Wir sind das Volk“. Die Gefahr beginnt mit Worten, in deren Einverständnis das Mitläufertum folgt. Diese Erfahrung ist nicht neu für Deutschland. Mit den Versprechen auf Wirtschaftlichkeit und Arbeitsplatz kam es in einer Krise schon einmal zum Aufstieg des Nationalsozialismus. Deshalb ist es wichtig: Wehret den Anfängen! Denn wir wollen nicht, dass – wie im Jahr 1933 geschehen – der Erste Mai wieder zum „Nationalen Tag der Arbeit“, zum Feiertag des Deutschen Volkes umdeklariert wird. Der Erste Mai soll international bleiben!

Kämpft dafür. Nehmt am 1. Mai 2020 zahlreich an den Internet-Kundgebungen der Gewerkschaften und anderer Organisationen teil. Bleibt politisch, solidarisch, mutig. Und stark gegen Rassismus und für Chancengleichheit. Wehret den Anfängen! Jedes Gesicht zählt.

 

Foto: chay tessari on Unsplash.