Ob die Sozialdemokraten es irgendwann merken, dass ihnen die klein gewordene GroKo nicht bekommt? Oder wie erklärt sich der SPD-Vorstand, dass die Partei trotz eines Sammelsuriums gewiss notwendiger sozialer Kleintaten im Koalitionsvertrag, auf die Andrea Nahles doch so stolz ist, in Umfragen weiter im Sinkflug ist?
Und erneut haben sie gerade wieder einmal, wie sie ihren Mitgliedern online versichern, das schlimmste verhindert. Also keine Transit-Lager entlang der Grenze zwischen Bayern und Österreich, dafür soll, entgegen der Einigung zwischen CDU und CSU, innerhalb von 48 Stunden in allerdings offenen Einrichtungen geklärt werden, ob schon ein Antrag in Italien, oder Griechenland gestellt wurde; wenn nicht, steht der Einreise nach Deutschland nichts im Wege. Das aber wiederum bedeutet, eine Rückweisung kann erst erfolgen, wenn die Erstaufnahmeländer dem zustimmen sollten, was Horst Seehofer gerade erfolglos in Österreich versucht hat.
Da hat er die Interessenlage seiner rechtspopulistischen Freunde, Österreichs Kanzler Kurz oder Ungarns Regierungschef Orban, oder die Lega Nord des italienischen Innenministers wohl ganz falsch eingeschätzt. Es dürfte ihm sowohl in Italien, als auch in Griechenland und gar in Ungarn also nicht anders ergehen als in Österreich. Danach verliert sich hoffentlich seine Spur in der deutschen Politik, was bei seiner Sturheit allerdings noch bis zur Landtagswahl in Bayern auf sich warten lassen könnte. Dann wird MP Söder in München gewiss alles daran setzen, für die erwartete Stärkung der AfD in Bayern seinem Parteivorsitzenden Seehofer die Schuld für die verloren absolute Mehrheit im Landtag in die Schuhe zu schieben.
Die Frage an die SPD bleibt also – und sie wird gewiss nicht nur vom Vorsitzenden der Jungsozialisten Kevin Kühnert gestellt, was hat die SPD in einer Koalition mit einer bayerischen Regionalpartei zu suchen, die wochenlang versucht hat, die politischen Koordinaten weit nach rechts zu verschieben und dies als Strategie gegen das Erstarken der AfD auszugeben? Dem schließt sich die Frage an: Was hat die SPD in einer Koalition mit der CDU-Vorsitzenden Merkel zu suchen, die von der CSU bedrängt, einer humanen Flüchtlingspolitik längst den Rücken zukehrt. Im Rat der Regierungschefs in Brüssel hatte sie den Unsinn der CSU vorzutragen und zu vertreten, und das alles, um die Union von CDU/CSU zu retten. Das Ergebnis dort war vorherzusehen: die EU macht die Grenzen dicht und schert sich kaum darum, die Gründe für die Völkerwanderung von weltweit knapp 70 Millionen Flüchtlingen zu ermitteln und den eigenen Anteil daran zu erkennen und abzustellen.
Die SPD merkt offenbar nicht, dass diese Koalition das Wertegerüst der Sozialdemokratie, das auch internationale Solidarität beinhaltet, mehr und mehr abschmirgelt, so dass die Unterscheidbarkeit zwischen beiden Volksparteien zunehmend auf der Strecke bleibt. Es wäre also an der Zeit, der Union klar zu machen, dass eine erneute nationale Verengung der Flüchtlingsfrage die Zusammenarbeit in der Koalition beenden würde. Es geht längst nicht mehr darum, das „Weiter so“ in der Koalition zu überwinden, sondern den nationalistischen, freiheits- und menschenfeindlichen Rückfall, an dem sich die bayerische CSU beteiligt, zurückzuweisen. Dazu gehört Mut und Selbstvertrauen, was nicht allein von den Jungsozialisten begründet werden sollte. Wohl auch die Bereitschaft, die Zusammensetzung der gegenwärtigen Koalition zu überdenken oder sie aufzukündigen.