Salon: „Rassismus und Justiz“

Rassistische Diskriminierung im Recht, vor Gericht und in der Ausbildung – wo steht die deutsche Justiz 2023?
Fünf Podiumsgäste auf der Veranstaltung Rassismus und Justiz

Am 23.03. fand die Auftaktveranstaltung der neuen Salonreihe des Kompetenznetzwerks Rechtsextremismusprävention statt. In dem Debatten-Format zu rechter Demokratiegefährdung werden wir regelmäßig aktuelle Herausforderungen im Bereich Rechtsextremismus diskutieren. Der erste Salon wurde von Gesicht Zeigen! organisiert und beleuchtete das Thema Rassismus und Justiz.

Die einleitende Gesprächsrunde führte zu einer Bestandsausnahme: Vor welchen Herausforderungen stehen wir? Wie zeigt sich Rassismus im Justizsystem und was bedeutet das für Betroffene?

Rassismus im deutschen Justizsystem: Herausforderungen und Bestandsaufnahme

Gionathan Lo Mascolo, Referent für Rechtsextremismus und Justiz bei Gesicht Zeigen! gibt einen Überblick über rechtsextreme und rassistische Entwicklungen in Deutschland im Kontext Justiz. Dabei ist es zentral, deren institutionelle Dimension zu verstehen, denn sonst bleibt das Bild über rechtsextreme und rassistische Dynamiken im Rechtssystem unzureichend.

Menina Morenike Ugwuoke, Gründerin der Hochschulgruppe BIJOC, Black, indigenous Jurastudierende of Colour, ein Zusammenschluss von aktuell etwa 60 Studierenden, beschreibt, wie homogen die Gruppe von Jura-Studierenden in Deutschland ist. Entsprechend gibt es für Studierende of Color häufig keine Anknüpfungspunkte. Zudem zeigt sich die mangelnde Repräsentanz auch im Kollegium und im Aufbau der Lehre, die nicht diskriminierungskritisch und immer wieder von rassistischen Inhalten geprägt ist.

Sanchita Basu, ReachOut, Mitarbeiterin der Beratungsstelle für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt und Bedrohung in Berlin verweist auf die schwierige Situation von Rassismus und rechter Gewalt betroffener Personen vor Gericht. Hier findet häufig eine sekundäre Viktimisierung statt, d.h. Nebenkläger*innen erfahren erneut Unrecht im Gerichtssaal, etwa durch rassistische Richter*innen.

Sandra Kim, Referatsleiterin im Justizministerium Nordrhein-Westfalen, beschreibt den Ansatz des dort angesiedelten, noch jungen „Zentrums für interkulturelle Kompetenz“, das Themen wie Ungleichwertigkeitsideologien oder Antidiskriminierung für Justizbeschäftigte aufbereitet. Ziel ist es, im System zu wirken und um eine Sensibilisierung innerhalb der Justiz zu erreichen – sowohl in Bezug auf Strafverfolgung als auch innerhalb des Kollegiums. Dies ist dringend geboten, derzeit kämpft das Zentrum aber an vielen Stellen noch für Akzeptanz, etwa für sein Weiterbildungskonzept.

Lösungsansätze gegen rassistische Diskriminierung in der Justiz

Nach dieser ersten Runde auf dem Podium diskutiert das Publikum mit: Welche Stellschrauben gibt es? Was muss sich ändern und was braucht es dafür? Wo gibt es gute Beispiele? Wer sollte Verantwortung übernehmen? Die Teilnehmenden bringen verschiedene Ideen ein und ergänzen die Hinweise aus dem Podium. Zunächst einmal brauchen Betroffene bessere finanzielle und psychische Unterstützung. Zudem braucht es mehr Statistiken zu BIPOC in der Justiz, um zielgerichtet politisch tätig werden zu können.

Im Bereich Ausbildung ist es wichtig, den Zugang zum Studium zu erleichtern, beispielsweise durch eine De-Hierarchisierung des Jurastudiums, aber auch durch die Schaffung von geschützten Räumen. Beides gilt auch für das Rechtssystem als solches. Nur so kann sichergestellt werden, dass sich die Repräsentanz von marginalisierten Personen und BIPOC im Justizbereich erhöht.

Rechtsextreme Handlungen bei Richter*innen und Staatsanwält*innen, müssen konsequent geahndet werden. Im Anschluss daran sind unabhängige Beschwerdestellen unabdingbar, ebenso wie rassismuskritische Schulungen und Fortbildungen von Justizbeamt*innen, Richter*innen und Staatsanwält*innen. Nicht zuletzt ist es angesichts der aktuell stattfindenden Bewerbungsphase zur Schöff*innenwahl wichtig, dass sich antirassistisch denkende und handelnde Menschen als Schöff*innen aufstellen lassen.

Wir nehmen die guten und wichtigen Anregungen mit in unsere Arbeit und sind gespannt auf den nächsten KompRex-Salon.

  • Die gesamte Veranstaltung können Sie hier nachhören.
  • Mehr Informationen zum Thema „Rechtsextremismus und Justiz“ finden Sie hier.