Berlin, den 21. September 2006
Mit dem Einzug der NPD in den Schweriner Landtag sitzen Neo-Nazis in drei von sechs Landesparlamenten der neuen Länder. Spätestens jetzt sollten alle Versuche, das Anwachsen neonazistischer Tendenzen zu bagatellisieren, der Vergangenheit angehören. Statt zu verharmlosen und gleichzeitig wirksame Programme für eine effektive Jugendarbeit zu streichen, sollten die Landesregierungen in den alten und neuen Ländern endlich länderübergreifende Strategien entwickeln und die Erfahrungen der vielen Initiativen zu nutzen, die sich gegen neonazistische Entwicklungen stemmen. Von manchen Landesregierungen und besonders auf kommunaler Ebene werden Initiativen gegen Rechts zudem eher als Störenfriede empfunden, weil ihre Erfahrungen nicht in das schön gefärbte Bild der offiziellen Selbstdarstellung der Länder passen. Diese Form der Realitätsverweigerung hat mit dazu geführt, dass es bereits ganze Landstriche gibt, in denen eine rechtsextreme, völkische Subkultur die Oberhand gewonnen hat.
Seit der Wende haben wir 130 Todesopfer rechter Gewalttäter zu beklagen. Und dennoch neigen die meisten Landesregierungen noch immer dazu, von zwar bedauerlichen, aber doch von „Einzelfällen“ zu sprechen. Die durchgängig schwächlichen oder bagatellisierenden offiziellen Reaktionen sind für die Neo-Nazis kleine Siege und eine große Ermutigung. Für die Opfer und deren Angehörige sind sie der blanke Hohn.
Es ist an der Zeit, die politische Herausforderung endlich anzunehmen. Schon sind die NPD und ihre Hilfstruppen dabei, als angeblicher „Anwalt der Kleinen Leute“, durch massive Einschüchterung oder notfalls mit Schlägertrupps den gesellschaftlichen Widerstand zu brechen oder doch zur Ausnahme zu machen. Der Organisationsgrad von NPD und DVU übertrifft in manchen Regionen nicht nur Mecklenburg-Vorpommerns den der demokratischen Parteien. Die Wahlanalysen zeigen, man kann nicht länger von reinen Protestwählern sprechen, das braune Gedankengut ist fest in den Köpfen verankert. Daher werden Erfolge nur in dem Maße erreichbar sein wie es gelingt, den zivilgesellschaftlichen Widerstand zu unterstützen und die Erfahrungen von Initiativen gegen Rechts, die in Ost und West arbeiten, endlich produktiv zur Kenntnis zu nehmen und langfristig und stetig zu finanzieren.
Die unterzeichnenden Initiativen fordern in gleichem Maße Bund, Länder und Kommunen auf, endlich den Kampf gegen die rechtsradikale Agitation aufzunehmen, die vor allem Schulen, Jugendzentren, Berufsausbildungszentren und nun zunehmend auch Universitäten erreichen. Eine wehrhafte Demokratie braucht nicht nur Sonntagsreden, guten Willen und freiwilliges Engagement – sie braucht auch finanzielle Sicherheit, Professionalität und den politischen Willen zum Handeln!
Unterzeichner:
Aktion Courage – SOS Rassismus
Aktion Zivilcourage e.V., Pirna
Bundesverband Information und Beratung für NS-Verfolgte e.V.
Kulturbüro Sachsen e.V. – Mobile Beratungsteams
Miteinander e.V. – Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen Anhalt
Mut gegen rechte Gewalt
Opferhilfe Potsdam
Oromo – Horn von Afrika Zentrum e.V.