Zivilcourage endete tödlich

Ein Kommentar der Geschäftsführerin von Gesicht Zeigen!, Rebecca Weis


Mit Erschütterung, Wut und Entsetzen haben wir von der schrecklichen Gewalttat in München gehört. Das Opfer, Dominik Brunner hat alles richtig gemacht. Er hat sich ruhig und besonnen verhalten, sich solidarisch gezeigt, nicht weggesehen, eingegriffen, er hat Zivilcourage gezeigt. Von diesem – in seiner Brutalität einmaligen Fall – geht ein verheerendes Signal aus: Zivilcourage ist gefährlich, sie kann sogar tödlich enden.

Diese Gewalttat entmutigt viele Menschen. Und genau das darf nicht geschehen. Zivilcourage erfordert Mut und die Überwindung der eigenen Bequemlichkeit und Angst.

Zivilcourage ist nicht einfach und doch elementar für unser Miteinander, für eine solidarische Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die nicht wegsieht, die Schwächere schützt. Gerade jetzt müssen wir den Mut zur Zivilcourage stärken. Wir müssen ein gesellschaftliches Klima schaffen, in dem Solidarität mit den Schwächeren, das Eintreten für andere als zutiefst menschliche und zivilisatorische Reflexe selbstverständlich sind. Dazu müssen sie geschützt werden und nicht nur in Sonntagsreden gefordert. Das wird auch Geld kosten. Wir können den öffentlichen Raum – gerade auch im Nahverkehr – nicht sich selbst überlassen. Hier wurde in den letzten Jahren im beispiellosen Ausmaß Personal eingespart – mit verheerenden Folgen. Jeder, der einmal in der Dämmerung alleine an einem Brandenburger Bahnhof auf die Regionalbahn gewartet hat, weiß, was Angsträume sind. Dieses Vakuum wird nicht durch eine Videokamera gefüllt und nicht durch die Verschärfung des Strafrechts. Die Überführung und Verurteilung der Täter steht ja erst am Ende, dann, wenn alles zu spät ist. Wir müssen viel früher hinsehen: im Elternhaus, im Kindergarten, in den Schulen, damit derartige Gewaltexzesse nicht mehr vorkommen. Die Täter sind meist Jugendliche mit eigenen Gewalterfahrungen. Wir müssen Zivilcourage stärken. Eine solidarische Gesellschaft muss sich daran beweisen, dass sie Menschen wie Dominik Brunner nicht allein lässt, sonst kann sie einpacken.