Gesicht Zeigen! präsentiert „Moderne Zeitzeugen – Besuche im anderen Leben“, ein Jugend-Präventionsprojekt gegen Rechtsextremismus

Gesicht Zeigen! stellt das Projekt „Moderne Zeitzeugen – Besuche im anderen Leben“ vor und präsentiert zusammen mit den Schirmherren Günter Piening, dem Berliner Migrations- und Integrationsbeauftragten, und Holger Rupprecht, dem Brandenburger Bildungs- und Jugendminister, den Dokumentarfilm zum Projekt.

Moderne Zeitzeugen – „Besuche im anderen Leben“ ist ein von Gesicht Zeigen! konzipiertes Begegnungsprojekt zwischen MigrantInnen aus Berlin und SchülerInnen aus Brandenburg, in dem sich diese wechselseitig besuchen und die MigrantInnen den SchülerInnen als „SpezialistInnen“ begegnen. Gerade in Brandenburg hat sich vielerorts eine rechte Dominanzkultur etablieren können. Die jüngsten Wahlergebnisse in Sachsen und Brandenburg zeigen deutlich die wachsenden rassistischen, antisemitischen und rechtsextremistischen Einstellungs- und Verhaltenspotentiale – ein Phänomen, das nicht nur in Brandenburg ein Problem darstellt. Besonders Jugendliche sind stark gefährdet, dem vielerorts vorhandenen rechtsextremistischen Angebot aufzusitzen – dem will das Moderne Zeitzeugenprojekt präventiv entgegenwirken, indem es einen toleranten und gleichberechtigten Austausch zwischen Jugendlichen und MigrantInnen initiiert.

Das Besondere an dem Projekt Moderne Zeitzeugen – „Besuche im anderen Leben“ ist, dass die MigrantInnen nicht in die Rolle der „Opfer zum Anfassen“ gebracht oder exotisiert und „vorgezeigt“ werden. Sie werden nicht – wie es in vielen gesellschaftlichen Diskursen der Fall ist – als Menschen mit Problemen oder als Menschen, die Probleme machen, dargestellt. Vielmehr werden sie als ExpertInnen vorgestellt – als professionelle, begabte und interessante Persönlichkeiten. Jede/r Migrant/in taucht als Spezialist/in für ein persönliches Fachgebiet auf. Die SchülerInnen sollen sie dadurch nicht primär als „die MigrantInnen“ wahrnehmen, sondern als „die Künstlerin“, „die Anwältin“, „den Lehrer“, „den Filmemacher“ etc. Beim Gegenbesuch in Berlin absolvieren die Schulklassen interkulturelle Workshops, erleben einen geführten Stadtrundgang durch Berlin-Kreuzberg und besuchen eine Moschee. Die Auseinandersetzung mit den Themen Migration, Vorurteile, Rassismus, Rechtsextremismus und die Reflektion eigener Vorurteile, Ängste und rassistischer Einstellungen stehen im Vordergrund des Projekts.

Im Projektverlauf 2004 stellten wir fest, dass viele SchülerInnen sich im Rahmen dieses Projekts erstmals mit Themen wie Migration, Ausgrenzung, Toleranz, Rechtsextremismus beschäftigten. Die Jugendlichen wiesen massive Wissenslücken auf, vielen war bspw. der Begriff Holocaust unbekannt. Ferner bestanden keine Vorstellungen über Werte wie Demokratie, Meinungsfreiheit und Menschenrechte. Trotz des geringen MigrantInnenanteils von nur 1,9% im Land Brandenburg, sind Vorurteile und rassistische Einstellungen unter den Jugendlichen weit verbreitet.

Angesichts der Projekterfahrungen fordert Gesicht Zeigen!:

  • Im Kampf gegen Rechtsextremismus ist eine Institutionalisierung derartiger Projekte notwendig, um eine flächendeckende und effektive präventive Jugendarbeit gewährleisten zu können.
  • Demokratieerziehung, politische Bildung, Geschichtsvermittlung gehören zur Grundvoraussetzung für mündige BürgerInnen in einer demokratischen Gesellschaft. Projekte, die dies vermitteln, brauchen mehr Unterstützung und Planungssicherheit.
  • Die Verantwortung, die oben genannten Werte zu vermitteln und den Ungleichheitsideologien entgegen zu wirken, liegt nicht nur bei den LehrerInnen, sondern bei allen gesellschaftlichen Kräften.
  • Nur mit lang angelegten Projekten lässt sich sinnvoll arbeiten – Projekte gegen Rechtsextremismus und zur Förderung von Demokratie- und Toleranzerziehung müssen als eine Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft anerkannt werden.

Moderne Zeitzeugen – „Besuche im anderen Leben“ wird gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Programms „CIVITAS – initiativ gegen Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern“. Im Jahr 2004 nahmen insgesamt achtzehn Schulklassen teil, das Projekt wird bis Ende 2005 weitergeführt – die Finanzierung über diesen Zeitraum hinaus ist leider unklar.