Der Journalist und Fernsehmoderator Günther Jauch über sein Engagement

Günther Jauch (44) leitet und moderiert unter anderem seit 1990 bei RTL „stern TV“.Herr Jauch, sie werden sich an der Aktion „Gesicht zeigen!“ beteiligen. Was kann diese Aktion gegen rechte Gewalt leisten?
Sie kann ein Zeichen setzen und klarmachen, dass es Leute gibt, die sich nicht ducken und denken, hoffentlich geht dieser Kelch an mir vorüber. Sie kann auch deutlich machen, dass rechte Gewalt nicht nur in der Zeitung steht, sondern dass es sie tatsächlich gibt und man darauf reagieren muss.

Was sind denn Ihre rein persönlichen Gründe, bei dieser Aktion mitzumachen?
Bei mir spielt beispielsweise eine Rolle, dass die Todeshetzer von Farid Guendoul noch immer auf freiem Fuß sind und in Guben den Gedenkstein für den toten Algerier schänden können. Ich weiß auch von Unternehmern in Brandenburg, die viele Fachkräfte aus dem Ausland beschäftigen, dass sie diese nach Berlin ansiedeln, weil sie sich in Brandenburg nicht mehr auf die Straße trauen. Das sind keine Alt-68er, sondern knallharte Unternehmer, die das sagen. Und wenn ich dann daran denke, dass hier zu Zeiten Friedrich des Großen mehr als ein Drittel der Bevölkerung in Potsdam, wo ich wohne, Holländer, Russen und Franzosen waren, dann frage ich mich, warum das heute so unmöglich sein soll.

Aber wen können Sie erreichen mit Ihrer Aktion, die Skinheads?
Natürlich werde ich damit keinen Skinhead bekehren können. Ich will Ihnen aber ein Beispiel geben: Für Stern-TV haben wir in Potsdam in der Innenstadt vor einem vollbesetzten Café eine schwangere Türkin von Rechtsradikalen zusammenschlagen lassen, das war natürlich gestellt. Im Café saßen hundert Leute, die haben nur geschaut, da ist nichts passiert. Ich möchte diese hundert Leute erreichen. Die Neonazis werden wir nicht bekehren, die fühlen sich womöglich eher noch provoziert. Aber die Gesellschaft, jeden Bürger, die müssen wir ansprechen. Ihnen müssen wir sagen, wir dürfen Neonazis nicht dulden. Natürlich müssen auch Polizei und Justiz konsequent handeln, das ist wichtig. Das aber steht für mich erst an zweiter Stelle. Ich habe selber zwei Töchter, die russische Pässe haben. Ich wage mir nicht vorzustellen, dass sie angemacht werden, weil sie fremdländisch aussehen. (Tagesspiegel)

Das Interview führte Armin Lehmann