Das Menetekel von Halle

Portrait von Uwe-Karsten Heye

Ein Kommentar von Uwe-Karsten Heye

Das Menetekel von Halle, zwei Tote und mehrere Verletzte und eine jüdische Gemeinde, die sich in der Synagoge verschanzen musste, wo sie sich am Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, zum Gebet eingefunden hatte. Der schwerbewaffnete Täter, schrie Hasstiraden gegen Juden heraus, die von seiner Helmkamera aufgenommen, direkt in das weltweite Netz eingespeist  und zeitgleich aufgezeichnet wurde. Was zählt da schon ein Menschenleben, wenn nur der Hass ausgelebt und „die deutsche Volksgemeinschaft“ von „Schmarotzern und Parasiten“ befreit wird, „die dem deutschen Volk das Fleisch von den Knochen fressen wollen“, so die Überzeugung eines AfD-Mitglieds aus dem Kreisverband Mittelsachsen.

Vorbild für Halle war offenkundig Christchurch in Neuseeland, wo ein Rechtsextremist einen Anschlag auf zwei Moscheen verübte und 50 Menschen erschoss. In Halle war es ein antisemitischer Anschlag und zeigt zugleich, dass sich der rechtsextreme Untergrund längst bewaffnet hat und sich offenbar stark genug fühlt, seine menschenfeindliche Ideologie öffentlich vorzutragen. Als politischer Arm steht ihm die braun grundierte Alternative  für Deutschland (AfD) zur Verfügung. In sämtlichen Landtagen und im Bundestag ist sie als stärkste  Opposition dabei, den öffentlichen Diskurs nach Rechts zu verschieben und im Netz zu verbreiten.

Die AfD und die bewaffnete rechtsextreme Untergrundarmee hat auch Verbündete in der Justiz und in der Polizei. Es reicht nicht, wenn wohl auch notwendig, die personell unterbesetzten Sicherheitsbehörden aufzustocken. Erst recht nicht,  wenn sich herausstellt, dass wie in Frankfurt am Main geschehen, die dort lebende Anwältin Seda Besay-Yildiz Morddrohungen von Tätern erhält, die sich „NSU 2.0“ nennen und ihre unter Verschluss gehaltene Privatadresse von der gleichen Tätergruppe ins Netz gestellt wird.

Frau Besay-Yildiz vertrat im NSU-Prozess die Familie von Enver Simsek, dem ersten Mordopfer der Terrorgruppe. Die Absender der Morddrohungen kommen aus dem hessischen Polizeiapparat. Gegen 37 Beamte wird derzeit ermittelt. Es ist daher auch notwendig, nicht nur in den Schulen, Demokratiebildung zu stärken,  sondern auch im öffentlichen Dienst den Beamteneid auf die Verfassung und seine Grundgesetzartikel zum Ausgangspunkt zu nehmen, mit politischer Bildung gegen vorhandene Vorurteile anzugehen.

Dringend auch, das Waffenrecht zu verschärfen und den Schutz vor Verleumdung und Beleidigung nicht nur für Staatsbeamte, sondern auch auf die Kommunalpolitiker auszudehnen, wie es die Bundesministerin  der Justiz Christine Lambrecht sich vorgenommen hat. Zugleich müssen die Sozialen Medien ein eigenes Interesse daran haben, das Netz nicht als rechtsfreien Raum zu begreifen.

Es geht darum, die Radikalisierungsspirale im Netz einzudämmen und den Nährboden dafür abzuräumen, wie aus Worten Taten werden. In Hass gegossene Sprache wirkt als „Brandbeschleuniger“ zur Zerstörung der freiheitlichen und demokratischen Grundordnung. Halle ist ein Menetekel, ein ernster Mahnruf also, der nur dann zum Vorzeichen nahenden Unheils würde, wenn wir es versäumten, dem „Nie Wieder“  erneut Statur zu geben.

Uwe-Karsten Heye ist Mitbegründer und Vor­stands­vor­sit­zen­der von Gesicht Zeigen!