Nach der fast zweiwöchigen Eskalation im Nahen Osten haben sich die militanten Palästinenserorganisationen Hamas und Islamischer Dschihad mit Israel am 20. Mai auf eine Waffenruhe geeinigt. Beendet ist der langjährige Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern damit jedoch noch lange nicht. Antisemitismus und rassistische Beleidigungen sind weiter an der Tagesordnung – und das auch in Deutschland.
Folgt man den Warnungen aus der CDU, dann handelt es sich angesichts aktueller judenfeindlicher Demonstrationen um das, was Armin Laschet „eingewanderten Antisemitismus“ nennt. Hätte er damit sagen wollen, dass auf den Straßen deutscher Städte nicht nur deutsche Rechtsradikale demonstrieren, sondern auch radikal islamistische Gruppen, die einen vermeintlich religiös motivierten, in Wahrheit aber politisch instrumentalisierten Antisemitismus vertreten, er hätte recht. Warum aber sagt er das nicht deutlich? Seine Warnung wäre glaubwürdiger, würde er dabei den Anteil rechtsradikaler Deutscher und judenfeindlicher Demonstranten nicht übergehen. Da liegt die Kandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, schon näher an der Wirklichkeit, wenn sie „null Toleranz gegenüber Antisemitismus“ fordert, „egal, woher er kommt“.
Antisemitismus als ein gesamtgesellschaftliches Problem begreifen
Die unerträglichen antisemitischen Hasstiraden, die erneut auf Demonstrationen zu hören sind, haben die Politik aufgeschreckt. Aber wie man lesen und hören kann, tun sich dabei einige schwer, die Absender solcher menschenfeindlichen Tiraden differenziert und gleichzeitig deutlich zu benennen. Es geht darum, nicht erneut in die Falle zu tappen, Antisemitismus weg zu delegieren als ein Problem der Einwanderung aus muslimischen Ländern, sondern Antisemitismus als gesamtgesellschaftliches Problem zu begreifen, das nur mit allen gesellschaftlichen Kräften gemeinsam bekämpft werden kann. Im Strafgesetzbuch ist dazu seit kurzem der Straftatbestand der „verhetzenden Beleidigung“ zu finden. Wer etwa Juden oder Homosexuelle oder Muslime in „hetzerischer Weise“ verächtlich macht, muss mit bis zu zwei Jahren Haft oder mit Geldstrafen rechnen. Gut so!
Erneut sind Antisemitismus und rassistische Beleidigungen an der Tagesordnung, die im Netz über Social-Media-Kanäle, Chat-Nachrichten oder SMS Verbreitung und eine Öffentlichkeit finden und damit digital Hass und Menschenfeindlichkeit verbreiten. Allein mit dem Strafrecht dürfte dem nicht beizukommen sein. Es geht also auch um zivilgesellschaftlichen Widerstand, der zunehmend auch im Netz verstärkt lesbar und hörbar ist. Initiativen wie Gesicht Zeigen! sind dazu wichtige Impulsgeber.
Aus der Geschichte lernen
Ebenso notwendig ist historisches Wissen, wie das von Theodor W. Adorno als einer der Hauptvertreter der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule an der Goethe-Universität, der im Blick auf das faschistische Desaster der Deutschen zu dem Ergebnis kam, dass 1945 die „wirkliche Auflösung“ der Identifikation mit dem Nazi-Regime nicht stattgefunden habe, sondern dass das bis zuletzt kohärent geblieben ist.
Adorno ging zu Recht davon aus, dass die Identifikation mit dem Nazistaat nie wirklich radikal zerstört worden ist und dass daher bis heute immer wieder alte und neue Nazis daran anknüpfen werden. Das klärt, wie wenig die Äußerung vom „eingewanderten Antisemitismus“ es mit der rassistischen Wirklichkeit und dem notwendigen Kampf gegen Rechtsradikalismus in Deutschland zu tun hat. Die Aufklärung und Auflösung der Identifikation von Menschen mit dem Nazismus des Hitlerstaates bleibt Aufgabe von Bildung und Erziehung. Dem Auftrag werden wir von Gesicht Zeigen! uns auch weiter stellen und alles in unserer Macht Stehende dafür tun, dass menschenverachtender Antisemitismus erkannt, geächtet und verbannt wird.