von Uwe-Karsten Heye
Die Spur ist mörderisch und so deutlich, dass es einem Wunder gleicht, wie die Sicherheitsbehörden sie übersehen konnten. Das Nazi-Trio aus Thüringen bombte sich durch Deutschland und erklärte sich selbst für neun Morde gegen Einwanderer und eine Polizistin verantwortlich. Jetzt gibt es viele Indizien dafür, dass die rechtsextremistische Mörderbande seit den 90er Jahren aktiv war und für weitere unaufgeklärte Gewalttaten in Frage kommt. Bundesinnenminister Friedrich spricht von „Rechtsterrorismus“. Eine Vokabel, die weder von CSU, noch von CDU zu hören war – obwohl seit 1989 inzwischen 150 Mordopfer rechtsextremer Gewalt zu beklagen sind. Erst jetzt überfällt die Kanzlerin Scham, der Außenminister besucht einen türkischen Verein, der Bundespräsident lädt die Hinterbliebenen der Opfer ein.
Jahrelang hatten die Sicherheitsbehörden einen eher vernebelten Blick nach Rechts, dafür einen scharfen Blick auf alles, was links ist und ein Grundmisstrauen gegen jeden, der als Einwanderer zu uns kommt. Dazu die politisch verstärkte Einschätzung, dass der islamistischen Bedrohung alles andere unterzuordnen ist, auch in Thüringen. Erst mal vor der eigenen Haustür kehren, ist keinem eingefallen, auch nicht angesichts der im Freistaat Thüringen unübersehbaren Aktivitäten der rechten Kameradschaften. Und jetzt bahnt sich eine tiefe Vertrauenskrise in die Kompetenz der Sicherheitsbehörden, einschließlich der Polizei an, die sich zu einer Krise des Staates auswachsen könnte.
Der Vorwurf, der Verfassungsschutz sei auf dem rechten Auge blind, besteht zu recht: die Belege dafür sind offenkundig. Spätestens jetzt sollte diese ideologische Borniertheit ein Ende haben und einer klaren und unmissverständlichen Haltung gegen die neuen Nazis weichen, zumal wissenschaftlich belegt ist, dass Fremdenfeindlichkeit und rechtsautoritäre Einstellungen bereits in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen sind.
Auch Teile der Polizei erwecken den Eindruck, als sei für sie der Rassismus der Nazi-Szene kein beachtenswertes Problem. Erst kürzlich wurden in Dresden hunderttausende Handy-Verbindungen von Demonstranten registriert, die gegen Neonazis auf die Straßen gingen. Ich erinnere an Dessau, wo ein von der Polizei an seine Pritsche gefesselter Schwarzafrikaner in der Arrestzelle verbrannte. Es bleibt ungeklärt, wie er zu Tode kam. Ein virulenter Rassismus ist nicht auszuschließen. Und Halberstadt, wo ein rechtsradikaler Mob über eine Schauspielertruppe herfiel, die von einer Premierenfeier kam. Die Opfer wurden erkennungsdienstlich behandelt, die Täter nicht. Oder Zossen, wo das „Haus der Demokratie“ von Rechtsextremisten abgefackelt wurde. Vor dem brennenden Haus ließen sie sich feixend von Gesinnungsfreunden fotografieren – die Liste ließe sich fortsetzen.
In Sachsen wie im Bund ist die Mitfinanzierung von Projekten gegen Rechts daran geknüpft, dass die Projektträger beweisen und durch Unterschrift bezeugen müssen, dass sie und ihre Partner auf dem Boden der Verfassung stehen. Wer diesen Unsinn verweigert, steht unter Generalverdacht. Derart denunziert wird die Front gegen Rechts bröckeln. Daher gilt es, den zivilgesellschaftlichen Widerstand zu stärken, statt – wie es permanent aus den Konservativen Parteien zu hören ist – ihn in Wort und Tat zu schwächen.
(für MDRFigaro, 18.11.2011)