Von Uwe-Karsten Heye
Ja, es gibt Rassismus in Deutschland. Für manchen, den der Weg in die Bundesrepublik führt, kann er zu einer Alltagserfahrung werden. Das Einwanderungsland Deutschland heißt längst nicht jeden Willkommen. Am Besten haben es noch Neuankömmlinge, die uns als Fachleute aus der demografischen Patsche helfen sollen. Daran wird auch ein angestrebtes Einwanderungsgesetz nichts ändern. Im Gegenteil.
Die SPD, die ein Einwanderungsgesetz fordert, glaubt tatsächlich, die eigene Feigheit in der Auseinandersetzung mit CSU und Teilen der CDU dadurch kaschieren zu können, dass sie das kanadische Einwanderungsrecht kopieren will. Da sind sie dann willkommen, die als gut ausgebildet gelten und hausgemachte Versäumnisse in Bildung und Ausbildung ausgleichen sollen. Dass der Exportweltmeister für sich in Anspruch nimmt, in Ländern Fachleute abzuwerben, die sie selbst dringend für die eigene Entwicklung brauchen, stellt alles auf den Kopf, was bis gestern noch entwicklungspolitisches Credo war. Aber es zeigt sich in dieser Kopfgeburt auch, dass die SPD offenbar zunehmend die eigene geschichtliche Erfahrung zu vergessen beginnt: Notwendige Internationale Solidarität.
Wem das zu anspruchsvoll ist, dem könnte vielleicht der Hinweis auf pures Eigeninteresse weiter helfen. Wenn die deutsche Wirtschaft, die sechzig Prozent ihrer Produkte nach Europa exportiert, auch die übrigen vierzig Prozent ebenfalls Wohlstand steigernd los werden will, brauchen wir aufnahmefähige Märkte über Russland und China hinaus, die sich auch in den Schwellenländern entwickeln. Es wäre also Hirnrissig, denen die Fachleute abzuwerben, die sie zur eigenen Entwicklung brauchen. Wie uns die anschwellende Hungerkarawane aus Afrika lehrt, die sich auf dem Todesmarsch nach Europa bewegt, haben wir einen nicht geringen Anteil daran, dass das Mittelmeer zum Massengrab geworden ist. Diesen Anteil kann man beliebig verstetigen und sei es durch Abwerbung der Fachleute.
Mit anderen Worten, wenn wir die Alterung der Gesellschaft durch Einwanderung abfedern wollen, muss die Bundesrepublik für Bildung und Ausbildung der Einwanderer selbst Sorge tragen. Dass aber bedeutet, gegen Alltagsrassismus Widerstand zu leisten und über Willkommenskultur nicht nur in Sonntagsreden zu schwadronieren. Der erste Schritt dazu, Pegida mit klarer Haltung entgegentreten, dessen kleinbürgerlicher Egoismus zunehmend von Rechtsextremisten und neuen Nazis angeführt wird. Der immer deutlicher werdende Rassismus auf den Montagsdemos darf nicht hingenommen werden und der ebenfalls in den Ermittlungsbehörden sichtbare institutionelle Rassismus etwa bei der Ermittlung der NSU-Mordserie auch nicht.
Dazu hat sich jetzt in Berlin ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis zu Wort gemeldet, das in einer eigenen Stellungnahme den Staatenbericht der Bundesregierung an den UN-Ausschuss zur Beseitigung rassistischer Diskriminierung als „fatal“ zurückweist. Der Vorwurf lautet, dass darin mit keiner Silbe der eigentliche Grund des behördlichen Versagens bei der Aufklärung der NSU-Mordtaten erwähnt wird: Rassistische Verhaltensweisen von Ermittlern und institutioneller Rassismus sei das zentrale Defizit. Da musste sich der NSU schon selbst enttarnen, damit seine Mordtaten aufgeklärt werden konnten.
Für das Bündnis, getragen von AnwältInnen der Nebenklage des NSU-Prozesses, NGO`s und Wissenschaftlern ist das „mangelnde Problembewusstsein der Bundesregierung symptomatisch für die fortwährend mangelhafte Arbeit der Innenministerien, Polizeien und Verfassungsschutzämter“. Der Staatenbericht zeige, dass die Bundesregierung keinerlei Maßnahmen umsetze, um dem individuellen und institutionellen Rassismus in staatlichen Institutionen zu begegnen. Das Bündnis fordert den UN-Sonderberichterstatter „über zeitgenössische Formen des Rassismus“ auf, einen Bericht über den NSU-Komplex anzufertigen und dabei der Frage des individuellen und institutionellen Rassismus in Deutschland nachzugehen.
Dass die Kanzlerin vor zwei Jahren vor dem Hintergrund einseitiger Ermittlungen, die sich gegen die Familien der Opfer richteten, von „deutscher Schande“ sprach und sich dafür entschuldigte, dass die Ermittler die Täter vor allem unter den unmittelbaren Verwandten vermuteten, scheint den Innenminister nicht zu beschweren. Einsicht über die tieferen Gründe staatlichen Versagens im NSU-Komplex ist dem Staatenbericht nicht zu entnehmen. Bis heute leiden die Familien unter diesen haltlosen Verdächtigungen, ohne dass bislang auch nur ein einziger Ermittler sich dafür entschuldigt hätte.
Uwe-Karsten Heye für den Blog-der-Republik, 28.04.2015