Seit 79 Jahren lebt Deutschland im Frieden. Unsere Nachbarn sind Freunde. Das liegt vor allem an unserer Mitgliedschaft in der Europäischen Union und in der Nato. Diese auch Westbindung genannte Einbettung hat Deutschland nach dem Zivilisationsbruch der Nazi-Diktatur wieder zu einem angesehenen Mitglied der demokratischen Welt gemacht.
Nach der deutschen Einheit und der Wiedererlangung voller Souveränität hat sich die Bundesrepublik gegen einen nationalen Sonderweg entschieden. Die übergroße Mehrheit der Deutschen will nicht zurück zu einer Schaukelpolitik mit wechselnden Bündnissen wie im 19. Jahrhundert.
Stabilität dank EU
Stattdessen setzte und setzt sich Deutschland für die Vertiefung der europäischen Integration ein. Diese hat aus früheren verfeindeten Staaten unsere Partner und Freunde gemacht. Laut EU- und Nato-Vertrag stehen sich die Mitglieder im Falle einer Bedrohung auch militärisch bei. Bei ihrer Behauptung, die EU sei gescheitert und schade Deutschland, haben extrem Rechte die große Mehrheit der Deutschen gegen sich: 68 Prozent vertrauen der EU als Hort der Stabilität in einer unsicheren Welt.
Putin brachte Krieg nach Europa zurück
EU und Nato haben im Verhältnis zu Russland lange auf Entspannung und Zusammenarbeit gesetzt. In der Nato-Russland-Grundakte verpflichteten sich beide Seiten 1997 zu Kooperation und der Unverletzlichkeit von Grenzen. Jede Erweiterung des Bündnisses wurde mit Russland abgestimmt. Mit seinem Krieg in der Ostukraine und der Annexion der Krim 2014 hat Russlands Präsident Wladimir Putin die Phase der Annäherung abrupt beendet. Er hat den seit 1945 geltenden Grundsatz gebrochen, dass Grenzen nicht gewaltsam verändert werden. Die Nato beendete die praktische Zusammenarbeit mit Russland. Der russische Überfall auf die gesamte Ukraine 2022 hat den Krieg nach Europa zurückgebracht. Im März 2023 drohte Russlands Ex-Präsident Dimitrij Medwedew sogar damit, Raketen auf den Bundestag und das Kanzleramt in Berlin abzufeuern.
Putins Rhetorik folgen
Umso wichtiger ist für uns die Sicherheitsgarantie durch EU und Nato. Genau die sind Diktatoren wie Putin ein Dorn im Auge. Er will die EU zerstören, die aus früher von der Sowjetunion unterdrückten oder bedrohten Ländern wie der DDR, den baltischen Staaten und Polen souveräne Mitglieder der europäischen Familie gemacht hat. Putin ist nie über den Verlust der früheren „Satellitenstaaten“ hinweggekommen. Die EU ist ein zu großer Brocken für ihn – einzelne Staaten dagegen könnte er bedrohen, angreifen, besetzen, wie er es mit der Ukraine vorführt und den Balten androht.
Rechtspopulist*innen und Rechtsextreme folgen der Rhetorik Putins. Wie er verleumden sie die EU als undemokratisch, bürokratisch, gefährlich. Wie Putin agitieren sie gegen eine gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Man fragt sich, warum? Sie nehmen für sich in Anspruch, die Stimme des Volkes zu sein. Wieso schlagen sie sich in einer so lebenswichtigen Frage gegen die Mehrheit der Deutschen auf die Seite des „neuen Zaren“? Eine Antwort darauf geben vielleicht die Anklagen und staatsanwaltlichen Untersuchungsverfahren etwa gegen Abgeordnete und Mitarbeiter, denen vorgeworfen wird, Geld von Russland und China angenommen zu haben.
Gegen europäische Verteidigung
81 Prozent der Deutschen sind für die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Rechtspopulist*innen und Rechtsextreme bekämpfen dagegen mit Vehemenz die gemeinsame europäische Sicherheitspolitik. An deren Stelle wollen sie eine Außenpolitik setzen, in der Russland dasselbe Gewicht haben soll wie Europa und die USA.
Den russischen Überfall auf die Ukraine wird am rechten Rand in Deutschland und anderen Ländern umgelogen in eine Reaktion auf angebliche westliche Provokationen. MillionenUkrainer*innen wurden durch den russischen Angriff zur Flucht gezwungen. Über eine Million von ihnen hat Deutschland aufgenommen. Gleichzeitig schleust Russland immer wieder Flüchtende aus Afghanistan oder Pakistan nach Weißrussland und von dort an die Ostgrenze der EU. Der russischen Regierung geht es nicht darum, diese Menschen in Sicherheit zu bringen. Das Ziel ist die Destabilisierung der europäischen Staaten, in denen – auch wegen rechtspopulistischer Propaganda – die Migration inzwischen als eines der wichtigsten gesellschaftlichen Probleme gilt. Es ist schon eine erstaunliche Arbeitsteilung: Putin sorgt für Fluchtwellen, die völkisch Gesinnten kritisieren dann das angebliche Versagen der EU, die Einwanderung nicht einzudämmen!
Gegen europäische und deutsche Interessen
Auch in der Energiepolitik wenden die Rechtspopulist*innen und Rechtsextreme sich gegen europäische und deutsche Interessen. Der Absatz von russischem Erdgas ist ihnen wichtiger als deutsche Versorgungssicherheit: Immer wieder fordern sie, dass Deutschland wieder Gas aus Russland importieren soll. Auf breiter Front wollen sie wieder ungestörten Handel mit Russland. Dabei hat Putin schon kurz nach dem Überfall auf die Ukraine versucht, Deutschland in die Knie zu zwingen: Über die Liquidierung der deutschen Gazprom-Tochter wollte er die Bundesrepublik in eine Energiekrise stürzen.
Die Vorstellungen der Rechtsextremen und –populist*innen sowohl in der Sicherheits- als auch in der Energiepolitik sind gegen unsere Interessen. Sie sind keine patriotische Partei, sie sind ein Sprachrohr russischer Propaganda und damit eine Hilfstruppe des russischen Diktators.
Gefahr durch Trump
Aktuell ist die EU für Deutschland wichtiger denn je. Denn im November stehen in den USA Präsidentschaftswahlen an. Sollte Donald Trump wieder gewählt werden, könnte er seine Drohung wahr machen und die Nato aufgeben. Dann stünde Deutschland ohne die Sicherheitsgarantien der EU schutzlos da. Deshalb brauchen wir mehr europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik, nicht weniger.