Fangen wir doch einfach mit dem Altbewährten an und zitieren – ungern – die Highlights der Hasskommentare vergangener Tage: „Heil Hitler!“ „Sie gehören vergast!“ „Die Öfen sind schon vorgeheizt!“ „Deutschland den Deutschen!“ „Volksverräter!“
Nichts Neues eben, aber wiederbelebt im 21. Jahrhundert. Und das in Zeiten, in denen wir 26 Jahre Deutsche Einheit feiern, und in denen es so gute Ideen gibt wie das kostenfreie Interrailticket für alle jungen Europäer*innen, damit sie in Zukunft über den Globus reisen können. Nice to meet you – so sieht die Begegnung mit der Kultur fremder Länder aus!
Im eigenen Lande allerdings halten neben den alten Redewendungen dazu noch immer mehr Wortneuschöpfungen ihren Einzug: „Ficki-Ficki-Refugees“, „Rinderschänder“, „Kopftuchgeschwader“. Klar, wir leben in einer Demokratie! Hier kann jeder sagen, was er möchte und will. Frei nach Schnauze eben, ob auf Sächsisch oder Hochdeutsch, Platt oder Bayerisch. Ob auf Facebook oder Twitter, auf dem Marktplatz oder gar bei einer vom Staat getragenen Feierlichkeit. Der Kommunikation sind mittlerweile keine Grenzen mehr gesetzt. Die Mauer ist weg, und schon sprudelt die Sprache aus vielen Menschen heraus, als handele es sich um einen Wettbewerb zur Pflichterfüllung eines Logorrhoeprogramms. Dabei geht es weniger um Qualität als um Quantität. Das Ziel ist, so viel wie möglich vom eigenen Frust loszuwerden. Eine Art Therapie der eigenen Empfindlichkeiten. Wovon reden wir? Von Hass und Hetze im Netz, von Beschimpfungen, Gejaule und Pöbeleien diverser (rechtspopulistischer) Demonstrant*innen. Was leider fehlt in diesem Wettkampf ist ein Schiedsrichter. Jemand, der die verbalen Äußerungen nach festgeschriebenen Regeln entweder ins Aus oder ins Abseits manövriert. Und so stehen wir am Ende wohl allein vor all den (sprachlichen) Brandanschlägen, die die deutsche Gesellschaft zurzeit hervorbringt. Dienen Schiller, Goethe und Heine nur noch als Reminiszenz an eine längst vergangene deutsche (Sprach)Kultur? Wir rufen dazu auf, sich mit den Menschen, die derzeit im Fokus verbaler Anfeindungen stehen, zu solidarisieren. Wir schlagen vor, erst einmal nachzudenken, und dann zu reden! Sprache ist ein hohes Gut. Sie sollte kein Mittel der Gewalt, sondern eins der Verständigung sein.