Wahlboykott in Hessen stärkt die rechten Populisten

Ein Kommentar von Uwe-Karsten Heye

Ein zweistelliges Ergebnis für die AfD mit 13, 6 %. Die Grünen landen mit 11.6 Prozent auf Platz vier. Die SPD schafft gerade mal 28 Prozent, die CDU kommt auf 28,2 %. So lautet die routinierte mediale Widergabe der Kommunalwahlergebnisse in Hessen in den Hörfunknachrichten. Mit Glück erfährt der aufhorchende Zeitgenosse dann noch, dass die Wahlbeteiligung bei 47  Prozent gelegen habe. Wenn man davon ausgeht, dass die AfD  dabei mutmaßlich bisherige Nichtwähler an die Wahlurne gebracht haben dürfte, dann erreichen CDU, SPD tatsächlich bestenfalls noch 14 Prozent aller Wahlberechtigten, die AfD sieben und die Grünen knapp sechs Prozent.

Das heisst schlicht, mehr als die Hälfte aller Wahlberechtigten in Hessen haben sich für einen Wahlboykott entschieden. Das knüpft an das an, was wir bei zurückliegenden Wahlen schon erleben mussten. Offenbar fühlen sich gut die Hälfte aller Wahlberechtigten von Volksparteien. von den Grünen und der FDP nicht mehr vertreten. Sie bleiben bei Wahlen zu hause. Ein Ergebnis scheint ein wachsender Zweifel an der Legitimität der gewählten Volksvertreter zu sein. Das könnte die offenbar  immer größere Neigung fördern, im Netz und in den sozialen Medien in Hassmails sich über ein „System“ auszulassen, die jede Form respektvoller Auseinandersetzung hinter sich lässt. Die Glaubwürdigkeit von Stadt- und Landesparlamenten nimmt offenbar Schaden, und das gilt auch für den Bundestag, wenn sich darin weniger als die Hälfte aller erwachsenen Wahlberechtigten widerspiegeln.

Nicht nur, aber auch an der Wahlbeteiligung zeigt sich die tiefe Spaltung einer Gesellschaft, in der immer mehr unter die Armutsgrenze rutschen. Immer mehr Menschen scheinen der auf Schnelligkeit und Oberflächenreiz angelegten digitalen Wirklichkeit und der kommerziellen Durchdringung aller Lebensbereiche nichts abgewinnen zu können oder ihr nicht gewachsen zu sein. Das zeigt sich auch daran, dass der Anteil der Langzeitarbeitslosen nicht kleiner wird und  sich gleichzeitig auch auf akademisch gebildete Arbeitnehmer ausweitet. Jedes vierte Kind in der Bundesrepublik wächst in der Armutsfalle auf, in der  auch alleinerziehende Mütter zur Konstante einer zunehmend sozial ungerechten Gesellschaft werden. Diese Kinder haben fast keine Chance, der sozialen Selektion zu entgehen, die ihnen den nächsthöheren Bildungsweg verwehrt.

Kein Wunder, dass sich in wachsender Zahl Besorgnisse einstellen, die sich bei  jedem Neuankömmling, ob Einwanderer oder Flüchtling, misstrauisch erhöhen. Der innere Frieden in einer Gesellschaft wird ja nicht nur gesichert, weil es Polizeibeamte gibt. Mindestens so wichtig ist ja wohl auch soziale Gerechtigkeit und das, was in unserer Verfassung als Artikel eins des Grundgesetzes zu lesen ist: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“, und dass „das Deutsche Volk sich darum zu den unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten“ bekennt.

Die nächsten drei Landtagswahlen stehen an und Hessen gibt einen Fingerzeig, was sich daraus entwickeln kann. Die Sorge über den wachsenden Rechtsextremismus und der Zuspruch für die rechtspopulistische AfD werden uns danach wohl noch entschiedener beschäftigen. Auch Europa als Friedensmacht steht auf dem Spiel. Es wäre Zeit, dass die großen Parteien sich aus ihrer Routine befreien.