Smartphone im Kühlschrank und Snowden im Kopf

Von Uwe-Karsten Heye

Dass der deutsche Regierungssprecher die Spionage der NSA in Frankreich nicht kommentieren wollte, ist sehr verständlich. Er hätte ja auch und zugleich die Praktiken des ersten Helfershelfers der NSA, den Bundesnachrichtendienst verurteilen müssen. Mutmaßlich hätte er wohl auch zugeben müssen, dass die Bundesregierung von den Mithör- und Abhöraktionen gegen zwei ehemalige und einen (noch) aktiven Staatspräsidenten in Paris bereits wusste, bevor es bei WikiLeaks zu lesen war.

Sie weiß spätestens  über diesen und weitere Skandale bescheid, seit das Kanzleramt, von den von ihm unter Verschluss gehaltenen, über tausend Suchworte umfassenden Wissensdurst der NSA, Kenntnis hat. WikiLeaks kämpft sich offenbar mit großer Sachkenntnis durch die von Edward Snowden verfügbar gemachten geheimen Unterlagen von NSA, was den Hass des „patriotischen Amerika“ einbrachte. Snowden wird seitdem verfolgt und gejagt und ist seines Lebens nicht sicher.

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Podiumsdiskussion mit Hans-Christian Ströbele und unserem Ausstellungsleiter Jan Krebs

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Dokumentarfilmerin Laura Poitras erzählt in ihrem Film über Edward Snowden und über die Motive seines Handelns. Sie und dieser erstaunliche Mann, beide sind Teil des anderen Amerika, das seinen Freiheitsidealen folgt und die Menschenrechte als unveräußerlich betrachtet. Snowden entlarvt alle Beteuerungen, es gehe nur darum die USA vor dem Terror von Al Quaida oder des Kalifatstaats ISIS zu schützen als verlogen.

Es geht vor allem darum, möglichst viel und möglichst früh an Informationen zu gelangen, die den USA vor allem wirtschaftlich nützlich sein können. Also umfassende Industriespionage und nebenbei ein geheimdienstliches Augenmerk auf die Verbündeten und ihre jeweiligen politischen Führer zu richten. Drei französische Präsidenten, die deutsche Kanzlerin, eine unbekannte Zahl weiterer Verantwortungsträger in Brüssel und in Ländern wie Holland, Österreich, Belgien etc.

 

Dabei wird zunehmend klar, dass dies alles mit Terrorbekämpfung so gut wie nichts zu tun hat. Wer Snowden sieht und hört, von Laura Poitras glänzend eingefangen, bekommt eine Ahnung davon, wie sehr die digitale Technik dabei ist, alle literarischen Ohnmachtfantasien als lächerlich gegenüber dem zu sehen, was schon jetzt durch staatlich geduldeten Missbrauch, und als schrittweise Annäherung an den totalen Überwachungsstaat in Bewegung ist.

 

Gewiss, die USA sind mit gigantischen Investitionen in notwendige Überwachungs- und Durchdringungstechniken an der Spitze der Bewegung. Die anderen aber holen auf, an der Spitze der Nachzügler Großbritannien, von Moskau und China gar nicht zu reden.

Nie wieder wird man Frau Merkel den Satz wiederholen hören: “Abhören unter Freunden –  geht gar nicht“.

Dabei lässt sich schwer sagen, was mehr anekelt: Die Unterwürfigkeit und Unterwerfung gegenüber den USA oder die heuchlerische Verbrämung der Anforderung an die eigenen Geheimdienste, technisch aufzuholen und dabei die rechtsstaatlichen Grenzen nicht weiter ernst zu nehmen.Längst haben sich viele daran gewöhnt, sich durch naive Beantwortung auch noch jeder auf Konsumanreiz angelegten Frage freiwillig im Netz zum kontrollierten und lückenlos beobachten Verbraucher machen zu lassen.

 

Diese Daten werden ohne großen Widerstand an die Geheimdienste weiter geleitet. Über die ebenso naive Nutzung von E-Book, Smartphone, Twitter, jeder App, die wir anwählen, oder Facebook werden Bewegungsprofile angelegt, die jeden Schritt, den wir tun, jede mail, die wir schreiben, den gläsernen Verbraucher beschreiben, dessen Intimbereich und Persönlichkeitsschutz sich dabei auflöst. Dass dabei mehrfach die Verfassung gebrochen und Grundrechte feil geboten werden, spielt keine Rolle.

Als der Verein „Gesicht Zeigen gegen Rassismus und für ein weltoffenes Deutschland“ jetzt in Berlin die Doku über Edward Snowden zeigte, kamen im Filmraum des Vereins weit über 120 Zuhörer zusammen, die über Facebook und über die web-Seite des Vereins eingeladen waren.  Dem schloss sich eine Diskussion mit Hans-Christian Ströbele an, die bis in den späten Abend dauern sollte.

 

Natürlich kam dabei auch die Attacke gegen das Datennetz des Bundestages zur Sprache. Jeder konnte den Rat Ströbeles nachdenklich mit nach Hause nehmen: „Wenn ich im Büro ein vertrauliches Gespräch führe, wandern mein Smartphone und das meiner Besucher erst einmal in den kleinen Kühlschrank, der für Getränke in der Ecke steht“. Noch sicherer sei es, zu vertraulichen Gesprächen zu einem Spaziergang am Spreeufer einzuladen.

Unbeantwortet blieb die Frage, ob es gelingen wird,  Snowden endlich Asyl und Personenschutz zu verschaffen. Einig war man sich darin, gäbe es den Nobelpreis für Zivilcourage, Snowden wäre der erste, hoffentlich nicht zugleich der einzige Preisträger.