Offener Brief an die neue Bundesregierung

In Kooperation mit der Amadeu-Antonio-Stiftung hat Gesicht Zeigen! den nachfolgenden offenen Brief an die neue Bundesregierung formuliert. Unterstützt werden unsere Forderungen von zahlreichen UnterzeichnerInnen aus dem „Berliner Ratschlag für Demokratie“.

Offener Brief

an Ursula von der Leyen, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

und Thomas de Maizière, Bundesminister des Inneren

Sehr geehrte Frau Ministerin, sehr geehrter Herr Minister,

bei der Bundestagswahl blieb die NPD im Bundesdurchschnitt unter 2% der Stimmen, die DVU hat den Wiedereinzug in den brandenburgischen Landtag verpasst. Also alles gut?

Wir meinen nein!

In den abgeschlossenen Koalitionsverhandlungen haben weder die Themen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus eine große Rolle gespielt, noch die Weiterführung der Förderprogramme für Toleranz und Demokratie.

Die NPD erhält mit einem Ergebnis von bundesweit 635.437 Stimmen bei der Bundestagswahl und den Stimmengewinnen aus den Landtagswahlen 2009 nach den Berechnungen der Tageszeitung „Die Welt“ vom 28.9.2009 mehr als eine Million Euro aus Steuergeldern, weil jede Stimme mit 0,85 Cent vergütet wird. Sie kann also weiter Schulhof-CDs herstellen und verteilen, den Kauf von Schulungszentren vorantreiben und Basisarbeit vor Ort machen. Sie kann Fußballturniere unterstützen, Kinderfeste veranstalten und Hausaufgabenbetreuung anbieten. Sie kann weiterhin politische Gegner durch Hetzkampagnen diffamieren, beleidigen und bedrohen– dafür ist genug Geld da.

Die Initiativen und Projekte, die sich seit Jahren professionell und engagiert dem Kampf gegen Rechtsextremismus und für Demokratie widmen, können von diesen Summen und dieser Planungssicherheit nur träumen.

Daher fordern wir die neue Bundesregierung und Sie als zuständige Ministerin und Minister auf:

Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus bedrohen unsere Gesellschaft und unsere Demokratie. Der Kampf gegen die neuen Nazis – ob in Anzügen oder Springerstiefeln – braucht einen langen Atem. Daher fordern wir die konsequente Weiterführung der Programme. Projektarbeit braucht Planbarkeit und Perspektive und ist eine wichtige Investition in die Zukunft. Das verlangt nicht nur zivilgesellschaftliches, ehrenamtliches Engagement, sondern auch hochqualifiziertes, professionelles Arbeiten, langfristige Planungssicherheit und verlässliche Partner vor Ort.

Wir erwarten von der neuen Bundesregierung, dass auch sie das Problem des Rechtsextremismus in Deutschland ernst nimmt. Wir erwarten, dass sie die Akteure der Zivilgesellschaft, die Profis in den NGOs und vor allem: die Opfer der rechten Schläger nicht allein lässt, sondern dass sie sinnvolle und strategische Ideen umsetzt, dauerhaft sichert und finanziert.

Die einzelnen Bundesprogramme für die Arbeit gegen Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus müssen verstetigt werden, sie müssen ihren provisorischen Modellcharakter verlieren und eine Chance auf institutionelle Förderung, unabhängig von Haushaltslagen, Programmentwürfen oder ministeriellen Befindlichkeiten erhalten. Denn sie leisten eine grundlegende Arbeit für die Demokratie und das Gemeinwesen!

Unterzeichnerinnen und Unterzeichner:

SAFTER ÇINAR, Vorstandssprecher des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg e. V.

NILS BUSCH-PETERSEN, Hauptgeschäftsführer Handelsverband Berlin-Brandenburg

UWE-KARSTEN HEYE, Vorstandsvorsitzender Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland e.V.

ANETTA KAHANE, Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung

HELMUT LÖLHÖFFEL, Herausgeber des Informationsdienstes »blick nach rechts«

WALTER MOMPER, Präsident des Abgeordnetenhauses von Berlin

PROF. DR. ANDREAS NACHAMA, Geschäftsführender Direktor der Stiftung Topographie des Terrors

PETRA PAU, Bundestagsvizepräsidentin, Die Linke

MICHAEL PREETZ, Geschäftsführer für Sport, Kommunikation und Medien bei Hertha BSC Berlin

JÜRGEN REENTS, Chefredakteur »Neues Deutschland«

CLAUDIA ROTH, Bundesvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen

ULRICH SCHELLENBERG, Vorsitzender des Berliner Anwaltsvereins

PROF. KLAUS STAECK, Präsident der Akademie der Künste Berlin

LALA SÜSSKIND, Vorsitzende des Vorstandes der Jüdischen Gemeinde zu Berlin

GEORG KARDINAL STERZINSKY, Erzbischof von Berlin

SUSANNE STUMPENHUSEN, Landesbezirksleiterin ver.di Landesbezirk Berlin-Brandenburg

DR. H.C. WOLFGANG THIERSE, Bundestagsvizepräsident, SPD

HANNS THOMÄ, Beauftragter für Migration und Integration der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz

HALINA WAWZYNIAK, MdB, Die Linke

UDO WOLF, Vorsitzender der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus Berlin

Unser offener Brief ist auf sehr große positive Resonanz gestoßen, folgende UnterstützerInnen, MitstreiterInnen und Prominente unterstützen auch den Aufruf:

HANNAH-MARIA LIEDTKE, IJBS Sachsenhausen

RON WILLIAMS, Künstler

ADELHEID SCHARDT, Kaufhaus der Demokratie

CHRISTOPH WALTHER, Zärtlichkeiten mit Freunden

ÖZCAN MUTLU, MdA, Bündnis 90 / Die Grünen


Berichterstattung