Nachruf für Paul Spiegel

von Uwe-Karsten Heye

Es sind jetzt sechs Jahre her als ich mit Paul zusammensaß und wir fassungslos auf die aufflammenden rassisttischen und antisemitischen Brandherde zu sprechen kamen. Er war sofort dabei, als ich ihn bat, mit mir zusammen die Initiative für ein weltoffenes Deutschland zu gründen. Wir trafen uns dann wieder in Düsseldorf. Zwischenzeitlich war auch Michel Friedman dazu gestoßen. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz gaben wir dann die Gründung der Initiative bekannt und wir ließen keinen Zweifel daran, dass wir von allen, die aus unserer Geschichte lernen wollen oder gelernt haben, eine ebenso klare Haltung erwarteten. Wir gaben uns auf dieser Pressekonferenz das Motto „Gesicht zeigen“.

Das war die Aufforderung, nicht mehr weg zu sehen und Verantwortung zu übernehmen für den zivilen Widerstand gegen die Wiedergänger der braunen Totengräber. In den diesem Gründungsakt folgenden Gesprächen wollte ich Paul Mut machen, dass es richtig und notwendig ist, an die demokratischen Tugenden in unserem gemeinsamen Heimatland zu glauben. Er könne sich darauf verlassen, dass die Juden in Deutschland nicht mehr allein gelassen seien. Paul Spiegel, der wie jeder andere Überlebende des Holocaust den schmalen Weg zwischen Misstrauen und Zuversicht zu gehen hatte, entschied sich für die Zuversicht.

Er wusste, dass es noch immer und offenbar immer wieder Antisemitismus auch in diesem Land gibt. Aber dass sich darin eine Minderheit abbildet, die den Kampf nicht gewinnen wird. Also nahm er die Auseinandersetzung an. Und er war nicht allein. Mit ihm die vielen Initiativen und Gruppen, die sich auf den Zinnen zeigen, auf denen er sich so oft allein wieder gefunden hatte. Der zivile Widerstand, der sich mehr und mehr entwickelt, machte ihm Mut, wenn auch mancher Politiker es nicht lassen kann, rassistische und antisemitische Vorfälle zu bagatellisieren.

Paul Spiegel und „Gesicht Zeigen!“, das mit der Zeit so etwas wie ein Synonym für Zivilcourage geworden war, waren bislang zusammen zu denken. Jetzt ist er tot. Doch die Erinnerung an ihn wird uns ermutigen weiter zu machen.